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Jeder spricht über Industrie 4.0. Das Karlsruher Unternehmen connyun setzt sie um. Aber wie profitieren produzierende Unternehmen und Maschinenbauer von der Digitalisierung? Wir haben mit connyun darüber gesprochen.

Lieber Herr Dr. Kusterer, Sie sind Chief Technology Officer (CTO) und Geschäftsführer bei der connyun GmbH aus Karlsruhe. Für diejenigen, die Ihr Unternehmen bislang noch nicht kennen: Was genau macht connyun?

Beginnen wir bei dem Namen: „conn“ als Abkürzung des englischen „connected“ trifft auf „yún“, dem chinesischen Wort für „Wolke“, also „cloud“. Der Name symbolisiert unsere Schwerpunkte Device Connectivity, Cloud-Software, Big Data-Technologie und Data Science. Diese Kompetenzen bündeln wir, um Standard-IIoT-Software für die industrielle Fertigung zu entwickeln. Dabei die Perspektive von produzierenden Unternehmen und Maschinenbauern einzunehmen, liegt uns besonders am Herzen: Wie können ohne großen Aufwand verschiedenste Geräte an eine IIoT-Lösung angebunden werden? Wie können die Verfügbarkeit und Transparenz der Fertigung erhöht werden? Wie werden Probleme in der Fertigung schneller sichtbar und gelöst? Wie können vorhandene Daten genutzt werden, um Produktionsprognosen und Prozesse nachhaltig zu verbessern? Seit Mitte des Jahres sind wir als connyun Teil von Körber Digital, dem Geschäftsbereich für digitale Innovation und neue digitale Geschäftsmodelle innerhalb der Körber AG.

Obwohl über die Industrie 4.0 seit Jahren gesprochen wird, zögern viele Firmen noch immer, sich dem Thema anzunehmen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Die Schwemme an Inhalten rund um den Themenkomplex Industrie 4.0 ist mittlerweile enorm. Die Entscheider – der Unternehmer, der Produktionsleiter oder auch der Lean Manager – werden aber aus meiner Sicht oft alleine gelassen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht! Sehr häufig fehlt es hier an klarer Orientierung. Zusätzlich schwillt die Menge an Anbietern rund um IIoT – seien es Projekt-, Beratungs-Firmen oder Lösungs- und Plattform-Anbieter – ständig an. Diese Faktoren machen es für Unternehmer immer schwieriger zu entscheiden, was das richtige Vorgehen ist. Wir wollen unseren Kunden einen sehr klaren Fahrplan für die Realisierung der Industrie 4.0 an die Hand geben.

Auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Sie Industrie 4.0 neu denken. Was genau machen Sie anders und inwieweit profitieren Ihre Kunden davon?

Bei connyun kommen zwei Dinge zusammen, die sich nicht einfach so reproduzieren lassen: Das tiefe Verständnis für die Bedürfnisse von Produktionsbetrieben und die Software-Kompetenz mit Fokus auf IIoT. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass wir 2016 ursprünglich aus der KUKA AG, bekannt für Robotik, entstanden sind. Ohne etwas von industrieller Fertigung zu verstehen, kann man keine glaubwürdigen Industrie-4.0-Lösungen entwickeln, die wirklich Wert stiften. Hier unterscheidet sich connyun stark von den Anbietern, die aus der Unternehmensberatung oder der IT kommen. Wir können uns gut in das Denken von produzierenden Unternehmen und Maschinenbauern hineinversetzen, denn wir stehen in sehr regem Austausch mit ihnen und führen viele gemeinsame Projekte durch.

Mit „Industrie 4.0 neu gedacht“ meinen wir, dass unsere Lösungen auch wirklich die Anforderungen in der Fertigung erfüllen und ganz real sind – also abseits von abstrakten Konzepten, sondern direkt einsatzbereit, leicht anzubinden, nützlich und wirtschaftlich attraktiv.

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„Mit der I4_Suite maximieren Sie die Verfügbarkeit Ihrer Produktion – und sparen sich zum Beispiel hohe Investitionen in neue Produktionsanlagen.“ – wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?

Es ist wichtig zu verstehen, dass wir mit unseren Software-Lösungen nicht in die Steuerung von produzierenden Anlagen eingreifen. Wir verbinden uns sozusagen „non-invasiv“, nutzen die vorhandene Struktur bestmöglich und entwickeln diese technologisch mit dem Kunden weiter. Unsere Software ist nicht „mission-critical“ und beeinflusst nicht die Produktion, sondern sie zeigt den aktuellen Zustand der Maschinen und Produktions-Zellen, die wichtigsten KPIs und minimiert Ausfallzeiten aufgrund des beschleunigten Problemlösungsprozesses. Diesen können wir über die gezielte Unterstützung der Werker und Meister anbieten.

Natürlich müssen Grundvoraussetzungen bei Automatisierungstechnik und Konnektivität geschaffen sein, damit die Möglichkeit besteht, auch ältere Maschinen in eine moderne IT-Umgebung einzubetten. Aber eines ist klar: Für viele kleinere und mittelständische Unternehmen sind Neuanschaffungen schlichtweg finanziell nicht zu stemmen, da geht es vielmehr darum, bestehende Anlagen mit zeitgemäßen technologischen Weiterentwicklungen optimal zu nutzen. Und genau das tun wir mit unserer I4_Suite, damit IIoT nicht nur technologisch, sondern eben auch wirtschaftlich interessant bleibt für die Unternehmen, die in ihrer Fertigung zukünftig datengetriebene Verfahren einsetzen wollen.

Wie werden Ihre Lösungen bislang von der Industrie angenommen?

Augenblicklich gehen wir zwei unterschiedliche Wege: Zum einen unterstützen wir sehr stark die Digitalisierung des Körber-Konzerns selbst. Wir haben mit Körber einen neuen Eigner gefunden, bei dem die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda steht, verbunden mit dem klaren Ziel, diese zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur zu machen. Zudem bieten wir unsere SaaS-Applikationen natürlich auch externen Kunden an, man muss aber schon sagen, connyun ist noch sehr neu am Markt.

Konkrete Namen können wir aber schon bald nennen, denn wir sprechen augenblicklich mit potentiellen Kunden aus sehr unterschiedlichen Branchen, die alle sehr an einer Standard-IIoT-Lösung oder einer gezielten Data-Science-Analyse interessiert sind. Wir sind gerade dabei, mit ihnen vor allem Voraussetzungen und Umfang einer erfolgreichen Umsetzung der Industrie 4.0 zu klären.

Einer konkreten Implementierung gehen intensive Gespräche voraus, aber der Schlüssel zum Erfolg liegt in Kooperation, Offenheit und Abbau von Berührungsängsten: IIoT ist beratungsintensiv, das macht es aber auch so spannend, vielfältig und interessant.

 Stefan Kusterer
Dr. Stefan Kusterer, Chief Technology Officer (CTO) der connyun GmbH.

Bei der Industrie 4.0 und dem Internet of Things spielt das Thema Cyber Security eine wichtige Rolle. Wie gehen Sie bei connyun damit um?

Unsere Software-Anwendungen bauen wir komplett auf Microsoft Azure, in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz bietet die Azure-Plattform bereits ein gutes Fundament. Um hier unseren Partner Microsoft zu zitieren: Das Azure Security Center macht Azure zur einzigen Public Cloud-Plattform, die eine dauerhafte Überwachung des Sicherheitsstatus bietet. Das gilt auch für das Threat-Management in Azure, hier nutzt Microsoft Technologien und Prozesse, mit denen die Abwehrmechanismen in Azure durchgängig gestärkt und Risiken verringert werden. Microsoft-Azure-Kunden sind global sehr namhafte Unternehmen, hier kann man schon davon ausgehen, dass die Sicherheits-Standards auf allerhöchstem Niveau sind. Zusätzlich haben wir Sicherheits-Experten in unserem Entwicklungs-Team, die unsere eigenen Lösungen permanent in puncto Sicherheit auf den aktuellen Stand der Technik bringen. 

Die Industrie 4.0 steht erst am Anfang ihrer Entwicklung. Was erwartet uns in diesem Bereich in den kommenden Jahren und wie wird sich das produzierende Gewerbe in naher Zukunft verändern?

Der Druck wird noch stärker, auch wenn es dem Maschinenbau im Augenblick sehr gut geht. Damit das in Zukunft so bleibt, müssen Unternehmen sich aber aktiv mit Digitalisierung auseinandersetzen. Neue Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung beruhen und zunehmende Automation werden den Markt verändern. Außerdem wird es einige neue Player vor allem aus Asien geben. Die Mensch-Maschine-Kollaboration – die sogenannten Cobots – sind stark im Kommen und werden die Art, wie wir heute produzieren, aber auch unser Rollenverständnis von Mensch und Roboter, nachhaltig verändern.

Und es wird viel mehr Kollaborationen und Kooperationen geben müssen, denn alleine können Unternehmen die Dynamiken nicht mehr beherrschen, zunehmend sind Geschwindigkeit und Time-to-Market gefragt. Software-Unternehmen schließen sich deshalb schon seit Jahrzehnten in Allianzen zusammen, da muss der deutsche Maschinenbau auch hin: Co-Innovation, also zusammen eine bessere Lösung bauen. Den Einfluss der Politik dürfen wir übrigens auch nicht unterschätzen, wir brauchen eine klare europäische Position beziehungsweise eine Stärkung dieser Position, um uns vor allem gegen China im Wettbewerb weiterhin behaupten zu können.

Welche Bedeutung hat für Sie der Standort Karlsruhe?

Karlsruhe ist einer der bedeutendsten europäischen Standorte der Informations- und Kommunikationstechnik. Karlsruhe hat zahlreiche Maschinenbau-Unternehmen und Produktionsfirmen in unmittelbarer Nähe, das ist für uns sehr wichtig. Es gibt eine vielfältige Unternehmenslandschaft, Forschung und Wissenschaft wie die Fraunhofer Institute, das Forschungszentrum Informatik und natürlich das KIT, was wiederum für unsere Stellenbesetzungen sehr wichtig ist. Und es gibt starke Verbände, die uns unterstützen: das CyberForum, mit dem wir uns austauschen oder auch die TechnolgieRegion Karlsruhe, mit der wir uns im September erstmals austauschen. Von dieser Infrastruktur profitiert connyun, das Bekenntnis zum Standort Karlsruhe ist auch innerhalb unseres multinationalen Teams sehr stark ausgeprägt und unsere Berliner Kolleginnen und Kollegen sind davon beeindruckt, wenn sie uns besuchen.