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Hierzulande diskutieren Fachkreise das Thema Telemedizin kontrovers. Den technischen Fortschritt für Konzepte zu nutzen, um Patienten aus der Ferne zu behandeln, hat einerseits viele Vorteile und lässt andererseits in puncto Sicherheit und Praktikabilität Zweifel zu.

Erfolgreiche Pilotprojekte wurden schon abgeschlossen: Telemedizin hat sich zum Beispiel in der USA als gut definiertes Konzept etabliert und erfährt kontinuierliche Optimierung. Moderne Kommunikationskanäle, gut entwickelte ITK-Lösungen und Internet-Verfügbarkeit machen es möglich. Angesichts voller Wartezimmer, überlasteter Notaufnahmen und fortschreitendem Ärztemangel könnten Videosprechstunde & Co. auch in Deutschland Ärzte und Patienten online zusammen bringen.

Neuland betreten

Das geltende Fernbehandlungsverbot, nach dem Ärzte ihnen physisch unbekannte Patienten nicht online beraten dürfen, wird vermutlich im Laufe des Jahres gelockert. Das legen die Erfahrungen mit ersten Modellprojekten nahe, die von der Landesärztekammer in Baden-Württemberg genehmigt wurden. Auch wenn die Videosprechstunde schon seit 2017 als Kassenleistung gilt, herrscht bei praxisbekannten Patienten keine große Nachfrage. Mediziner bringen derzeit aber auch wenig Interesse auf, Kranken diese Leistung anzubieten, denn ein passendes Abrechnungsmodell fehlt. Die Telemedizin-Vorreiter stecken woanders.
In den Vereinigten Staaten werden die Vorzüge der Telemedizin von allen Seiten gepriesen. Ein nicht abreißender Strom an Technologie-Innovationen und die Offenheit gegenüber Veränderungen zählen zu ihren Triebfedern. Der Ruf der besten Versorgung mit den geringsten Unannehmlichkeiten eilt der Telemedizin voraus. Das US-Gesundheitsministerium definiert Telehealth als: „Einsatz elektronischer Informations- und Telekommunikationstechnologien zur Unterstützung der klinischen Fernversorgung, der patienten- und berufsbezogenen Gesundheitserziehung, der öffentlichen Gesundheit und der Gesundheitsverwaltung.“

Möglichkeiten der Telemedizin

Studien der American Medical Association haben gezeigt, dass 70 Prozent der Arztbesuche Informationscharakter besitzen und leicht per Telefon oder Videoanruf durchgeführt werden können. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, Gesundheitsinformationen auszutauschen und sich mit Patienten, Ärzten und anderen zu besprechen. Traditionell verkörpert Telemedizin vier verschiedene Wege:

• Videokonferenzen in Echtzeit
Zwei-Wege-Interaktion zwischen einer Person und einem Anbieter mit audiovisueller Telekommunikationstechnologie. In diesem Fall eignet sich das Live-Video für Beratung, Diagnostik und Patientenbehandlung. Echtzeit-Telemedizin-Lösungen, wie die Übertragung von Standbildern, setzt die Telepathologie seit vielen Jahren ein, ebenso wie die Telepsychiatrie Echtzeit-Übertragung von Videobildern.

• Store-and-Forward
Die Übertragung einer aufgezeichneten Krankengeschichte (gespeicherte Videos, digitale Bilder) über ein sicheres elektronisches Kommunikationssystem an einen Spezialisten. Im Gegensatz zur Echtzeit-Technologie ermöglicht sie den Zugriff auf Daten nach deren Sammlung, und beinhaltet Kommunikationstools wie Secure Email.

• Patientenfernüberwachung
Die persönliche Gesundheitskontrolle und medizinische Datenerfassung einer Person an einem Ort über elektronische Kommunikationstechnologien, die einem Anbieter an einem anderen Ort übermittelt wird. So schlossen sich der IT-Gigant Cerner und die Truman Medical Centers kürzlich zusammen, um Programme für das Krankheitsmanagement zur Patientenüberwachung zuhause zu entwickeln. Auch die klinische Anwendung von Patientenüberwachungsgeräten wächst rasant. Als großartige Beispiele, um Patienten im Auge zu behalten, dienen zum Beispiel ein Armband zur Vorhersage von Asthmaanfällen via Atmung, ein BH zur Erkennung früher Anzeichen von Brustkrebs, eine Armbanduhr für Parkinson-Patienten und ein Haarclip für Gehörlose, um Geräusche durch das Haar zu übertragen.

• Mobile Gesundheit
mHealth scheint eine der am schnellsten wachsenden Tendenzen zu sein, die Verbesserungen im Gesundheitswesen vorantreibt. Rund sieben Millionen Patienten nutzen bereits verschiedene Formen mobiler Anwendungen. Bis 2020 sollen es laut aktuellem BCC-Forschungsbericht 50 Millionen sein. Unterstützt von mobilen Kommunikationsgeräten, verbessert die mobile Gesundheit nachweislich die Einhaltung von Behandlungsempfehlungen, erinnert Patienten an die Einnahme von Medikamenten, informiert über Gesundheitsprobleme und sorgt für ein besseres Engagement in der Pflege. Klinikärzten hilft dieser Ansatz bei der Lösung einiger der größten Probleme im Gesundheitswesen, wie z.Bbeispielsweise. Management von chronischen Krankheiten und klinische Entscheidungsfindung.

Patient im Zentrum?

Telemedizin ist keine Einzellösung, sondern ein komplizierteres Konzept, bei dem die Wahl der Ansätze vom Intervall zwischen einem Patienten und einem Erstversorger abhängt. Eine große Herausforderung im Gesundheitswesen ist die fragmentierte Versorgung: Hierbei können Datenverlust und doppelte Labortests zu widersprüchlichen Arzt-Informationen und schließlich zur Wiedereinlieferung ins Krankenhaus führen. Mangelnde Koordination und andere Faktoren geben Anlass zur Behauptung, die Pflege sei alles andere als patientenzentriert. Die Sicherheit der Patienten hängt in hohem Maße von der Integration der Daten in die primäre Gesundheitsakte ab, da sie zu einer sicheren Datenunterstützung beiträgt und die Fragmentierung der Versorgung beeinflusst.

Auf dem Markt tummeln sich mehrere Anbieter für Telehealth-Lösungen mit unterschiedlichen Funktionen. Der komplizierten Natur der Gesundheitsbranche und ihren Anforderungen zollen die Programme jedoch manchmal Tribut. Es gibt Situationen, in denen die Stammlösung nicht ausreicht. In diesen Fällen können spezifische Softwareentwicklungen helfen, Telekonferenzlösungen maßzuschneidern, die allen Anforderungen gerecht werden und sich mit Veränderungen der Umgebung weiterentwickeln.

Früh partizipieren

Telemedizin übt in den kommenden Jahren tiefgreifende Auswirkungen auf alle Bereiche des Gesundheitswesens aus. Als Mittel zur Steigerung des Komforts und zur Verbesserung der Pflegequalität kann Telehealth die Messlatte für die Branche höher legen und diejenigen, die sie nicht rechtzeitig übernehmen können, im Wettlauf um die Patienten zurücklassen.

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Roman Chernyshev
Roman Chernyshev kam 2004 als Softwareentwickler/Teamleiter zu DataArt und hat für das weltweit agierende Technologieberatungsunternehmen einige der wichtigsten Projekte in den Bereichen Gesundheitswesen, Finanzen und Telekommunikation betreut. Er leitet die Anwendungsentwicklung auf der Microsoft.Net Plattform, wobei er sich auf die Systemarchitektur und die Methoden der agilen Softwareentwicklung konzentriert. Vor seiner Tätigkeit bei DataArt leitete er sein eigenes ISV-Unternehmen und arbeitete bei mehreren führenden russischen IT-Firmen, wo er neue ERP-Systeme sowie Logistik- und Buchhaltungsanwendungen für Markenkunden entwickelte. Roman Chernyshev hat einen MS-Abschluss in Robotik an der Staatlichen Universität St. Petersburg.