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Was haben der Datenschutz, die Digitalisierung und das iPhoneX mit dem Mittelstand zu tun? Die Antworten dazu liefert der Netzaktivist Markus Beckedahl im Interview. Seiner Meinung nach haben deutsche Unternehmen einen globalen Wettbewerbsvorteil, wenn es um den Datenschutzaspekt geht. Ach ja, Tagesformen spielen auch eine Rolle.

Herr Beckedahl, der Mittelstand macht in Deutschland über 90 Prozent der Unternehmen aus; er ist somit im großen Stil abhängig von politischen Entscheidungen. Warum engagiert er sich dennoch so wenig, wenn es um Datenschutz geht – speziell in Sachen Arbeitstools, die beispielsweise mittels Cloud gehostet werden. Wie können sich Unternehmen politisch in die Datenschutz-Diskussion mit einbringen? Was wäre deren Nutzen darin?

Ich bin der Meinung, dass gerade für Firmen aus Deutschland der Datenschutzaspekt im globalen Markt ein Wettbewerbsvorteil sein kann. Wir waren hierzulande bei vielen gesellschaftlichen Debatten schon häufig früher dran als andere Gesellschaften, siehe zum Beispiel regenerative Energien. Gerade bei Daten geht es massiv um Vertrauen. Und hier können wir unsere historische Erfahrung, aber auch die Erfahrung im Umgang mit unseren, vergleichsweise strengen, Datenschutzgesetze ausnutzen. In den USA fangen jetzt erst Teile der Gesellschaft an zu begreifen, dass Vertrauen und Datenschutz wichtige Voraussetzungen für eine digitale Gesellschaft sind.

Künstliche Intelligenz, vernetzte Fabriken (Industrie 4.0), Cloudcomputing; alles Technologien, die in Unternehmen ihren Einsatz finden. Wie stehst Du diesen Technologien gegenüber? Trennst Du die berufliche Nutzung von der privaten? Kann der deutsche Mittelstand beruhigt auf US-Anbieter wie Microsoft, Google und Apple setzen; sind deutsche Lösung tatsächlich datenschutztechnisch sicherer?

Ich bin mir unsicher, ob man beruhigt auf US-Anbieter bei Cloudfragen zurückgreifen kann. Denn nicht erst seit den Snowden-Enthüllungen wissen wir, dass US-Sicherheitsbehörden direkten Zugriff auf die Datenbanken von US-Unternehmen haben. Da sollten bei deutschen Unternehmen immer die Alarmglocken klingeln, denn zum Positiven geändert hat sich seitdem nichts. Ein weiteres Argument dagegen ist die drohende Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen und ihren Plattformen, die kurzfristig viel Ersparnis und Einfachheit versprechen, langfristig aber einen Lock-in-Effekt haben könnten. Bei meinen eigenen und beruflichen Infrastrukturen setze ich lieber auf digitale Souveränität. Lieber etwas Mehraufwand, dafür mehr Unabhängigkeit und Vertrauen.

Apple hat mit dem iPhoneX die Gesichtserkennung (FaceID) wiederbelebt. Doch schon kurze Zeit später stellte sich heraus, dass diese Sicherheitsbarriere keinen großen Aufwand für Behörden und Firmen darstellt. Sollten Unternehmen mit sensiblen Informationen zwecks Wirtschaftsspionage auf das iPhoneX als Firmen-Smartphone verzichten?

Smartphones haben generell das Problem, dass sie in der Regel aus US-amerikanischer oder asiatischer Produktion stammen. Ein Restrisiko bleibt immer durch die Intransparenz der geschlossenen Systeme. Niemand weiß genau, was in Teilen der Hardware verbaut ist. Da ist das iPhoneX kein Sonderfall. Ich bin kein Fan von Gesichtserkennung, obwohl ich auch einsehe, dass es für die Usability einen Mehrwert bringt. Aber gleichzeitig normalisiert das iPhoneX die Gesichtserkennung (FaceID) und wir haben noch nicht ausreichend verstanden, wohin das führen kann und ob das wirklich so sinnvoll ist.

Ihr habt erst kürzlich darüber berichtet, wie kommerzielle Unternehmen über Klicks im Internet Kundeninformationen sammeln, zusammenführen und weiterverkaufen – personalisierte Daten sogar gegen den Verbraucher verwenden. Wie können wir Verbraucher uns dagegen rüsten? Viele Unternehmen produzieren Daten meist als Nebenprodukt; bezeichnen die Datenmasse oftmals als Müll. Wissen die Firmen eigentlich, was sie da weiterverkaufen?

Verbrauchern empfehlen wir die Nutzung von Anti-Trackingtools, wie etwa einige Browser-Erweiterungen wie ‚uBlock’ oder den ‚Privacy Badger’. Und immer gilt: Man muss nicht überall im Netz seine richtigen Daten angeben, nur weil ein Formular das einem empfiehlt oder vorschreibt.

Die meisten Firmen dürften wissen, was sie da weiterverkaufen. Deswegen ist es notwendig, dass wir klare Regeln bekommen, wie Tracking transparenter werden muss und vor allem weniger wird. Es kann doch nicht sein, dass ich auf Verlagsseiten von teilweise 40 verschiedenen Firmen getrackt werde. Wenn das die Finanzierung des Journalismus ermöglichen soll, dann liegt doch ein Fehler im System und Geschäftsmodell, der nicht durch mehr Überwachung beseitigt werden kann.

Schauen wir mal in die Glaskugel. Wie siehst Du die Zukunft in Richtung Datenschutz, Unternehmenstechnologien, politische Entscheidungen? Schaust Du eher froh gestimmt in die Zukunft oder schauderst Du ein wenig?

Das schwankt bei mir nach Tagesform. Ich würde gerne weiter den Utopien des Netzes zugesprochen sein und hätte gerne, dass die Dystopien nicht real werden. Leider bewegt sich vieles in Richtung Dystopien, fast alles, was technisch machbar ist, wird auch realisiert. Auch weil den politischen Entscheidern wahrscheinlich die langfristigen Auswirkungen nie ganz bewusst sind. Es ist alles eine Operation am offenen Herzen, in diesem Fall ist das offene Herz leider unsere Demokratie und Freiheit, die Schäden nehmen können.

Herzlichen Dank für das Interview.

Über Markus Beckedahl und Netzpolitik.org

Markus Beckedahl ist netzpolitischer Aktivist und Journalist aus Berlin. Er wurde vor allem als Chefredakteur des von ihm 2002 gegründeten Blogs Netzpolitik.org bekannt, in dem Themen der Informationsgesellschaft behandelt werden. Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Quelle: Wikipedia