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Es gibt ein paar spannende Entwicklungen in der Robotik. Exoskelette verleihen Körpern die Fähigkeit von Gabelstaplern. Ein kleiner Überblick über den Stand der Technik und die Chancen im Arbeitsmarkt.

Eine Operation rettet Colonel Steve Austin nach einem Flugzeugabsturz das Leben. Der Eingriff ist teuer. Für sechs Millionen Dollar ersetzen die Ärzte an seinem Körper ein Auge, einen Arm und beide Beine durch Hightech-Maschinen. Austin wird zum Cyborg, ist fortan übermenschlich stark und springt aus dem Stand mehrere Meter hoch. Seine Geschichte faszinierte die Fernsehzuschauer in den 1970er Jahren nachhaltig. Zuerst als Film, dann als TV-Serie feierte „Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann“ große Erfolge. Heute, mehr als 40 Jahre später, verwirklicht sich die Fernsehfiktion. Robotikforscher und -firmen arbeiten unter Hochdruck daran, Menschen maschinell Superkräfte zu verleihen – mit künstlichen Exoskeletten ganz ohne operativen Eingriff. Als Vorbild der Exokoskelette gilt ebenfalls ein fiktionaler Charakter, Iron Man, auf Deutsch der Eisenmann. Trägt er die von ihm selbst geschaffene Ganzkörperrüstung verwandelt sich der Marvel-Comic-Held in einen unschlagbaren Maschinenkrieger.

Im September hat nun zum ersten Mal eine große deutsche Krankenkasse (Name darf nicht genannt werden) die Kosten für ein solches Roboterkorsett mit computerbasiertem Steuerungssystem und Bewegungssensoren übernommen. Gefördert wird ein seit einem Autounfall im Jahr 1999 querschnittsgelähmter Mann. Er soll sich wieder zu Fuß ohne Rollstuhl fortbewegen können. Das gab das herstellende Unternehmen Rewalk Robotics, in Deutschland Argo Medical Technologies genannt, Ende September in einer Pressemitteilung bekannt. Der Vizechef des Vertriebs von Rewalk Robotics, John Frijters, erklärte: „Auch wenn die Genehmigungen anfangs auf Einzelfallentscheidungen beruhen, übernimmt das deutsche Gesundheitssystem eine Vorreiterrolle bei der Anerkennung von Exoskeletten als hochmodernen medizinischen Geräten für querschnittgelähmte Menschen.“

Mobilitätshilfe und Arbeitserleichterung

Ob tatsächlich gehbehinderte Menschen mit Exoskeletten in Zukunft vollständig auf Krücken oder Rollstuhl verzichten können, muss sich noch zeigen. Ärzte gehen davon aus, dass aus medizinisch-physiologischen Gründen nicht alle querschnittsgelähmten Menschen davon profitieren. Im Gesundheitsbereich haben sich die noch teuren Geräte bislang zumindest aber beim Testeinsatz zu Rehabilitations- oder Trainingszwecken bewährt. Unternehmen wie Rewalk Robotics, Ekso Bionics oder Cyberdyne zielen auf eine breite private Nutzung durch zukünftig größere Alltagstauglichkeit und Preise im unteren fünfstelligen Bereich.

Neben privaten Firmen arbeiten auch verschiedene Forschungsinstitute an der Erweiterung der körpereigenen Kräfte. Wissenschaftler des Wyss-Instituts an der Harvard-Universität oder eines internationalen Forschungsverbunds der Technischen Universität München, der US-amerikanischen Duke-Universität und des Internationalen Instituts für Neurowissenschaften in Brasilien beispielsweise testen Sensoren und untersuchen Bewegungsabläufe, um die bislang noch ziemlich sperrigen Maschinen in Roboteranzüge zu verwandeln, die sich wie Kleidung über den Körper ziehen lassen und sich an die Haut ihrer Träger schmiegen. Sensoren ermöglichen die Steuerung der Exoskelette. Das geschieht entweder verzögert durch die ausgeführte Bewegung ihres Trägers, simultan durch die elektronischen Signale der Muskelkontraktion oder bereits im Voraus durch die Kraft der Gedanken. Das von Gordon Cheng, Professor an der TU München, mitentwickelte System beispielsweise zeichnet die elektrische Hirnaktivität eines Patienten auf, erkennt so die Absicht und übersetzt diese dann in Aktion: einen Schritt zu machen oder einen Ball zu kicken. Das führte der gelähmte Juliano Pinto zur Eröffnung der Fußball-WM 2014 am Spielfeldrand vor.

In 20 Jahren sind Exoskelette Normalität

Interesse an der Technik besteht nicht nur im Gesundheitssystem, sondern auch beim Militär und in anderen Bereichen, die auf körperintensiven Arbeiten beruhen. Hier sollen Roboter nicht menschliche Arbeitskraft vollends ersetzen, sondern beispielsweise Krankenpfleger, Werks- und Bauarbeiter oder Soldaten unterstützen. Die Idee: Körperfunktionen weit über ihre natürlichen Grenzen steigern – beim Heben, Tragen, Gehen, Steigen oder Klettern. An der US-amerikanischen University of California entstand etwa ein Prototyp, der einen Menschen in die Lage versetzt, 40 Kilogramm Ausrüstung für sechs Stunden bei hoher Gehgeschwindigkeit zu transportieren. Heute tragen Soldaten mithilfe verbesserter Systeme bis zu 100 Kilogramm auf dem Rücken, ohne dass ihnen das Gepäck zur Last fällt. Sie verbrauchen dabei außerdem um ein Zehntel weniger Energie und Sauerstoff.

Wie Gabelstapler heben in Südkorea Werftarbeiter von DSME mit Leichtigkeit ein mehr als 30 Kilogramm Stück Metall. Die Roboterrüstung, die ihnen dabei hilft, wiegt selbst fast genauso viel. Die Konstruktion aus Aluminium, Stahl und Karbon fängt das Eigengewicht in sich auf. Auch der Autokonzern Honda stellt Exoskelette her – hauptsächlich zur Entlastung der Hüfte. Einsatzorte sind Rehabilitationszentren, aber auch Fabriken. Im unternehmenseigenen Autowerk in Saitama in Japan tragen die Arbeiter die bereits Robotergestelle bei der Fahrzeugmontage, um Gelenke an Hüfte und Knie zu schonen.

Ein Student der Monash University in Melbourne hat den Prototypen eines Exoskeletts entwickelt, das bald bei Feuerwehreinsätzen hinzugezogen werden könnte. „Feuerwehrleute tragen eine enorme Verantwortung, riskieren gar ihr Leben für die Allgemeinheit und sollten daher jegliche technische Hilfestellung bekommen“, erklärt Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen. Eine breite Nutzung der Exoskelette erwartet der Zukunftsforscher in ungefähr 20 Jahren.