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„Wir vernetzen IT made in Germany“ – das ist der Leitspruch des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft (kurz KIW). Wir haben Janek Götze, den Geschäftsführer des KIW, interviewt und ihn gefragt, wie die Arbeit des Kompetenzzentrums aussieht, was sie bisher erreicht haben und auf was man in den nächsten Jahren noch gespannt sein kann. Außerdem wollten wir wissen, wie das KIW auf die Corona-Pandemie reagiert hat und welche Auswirkungen sie auf die Vernetzung der IT-Wirtschaft hatte.  

Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft informiert die mittelständisch geprägte IT-Wirtschaft und fördert die Vernetzung sowie die Realisierung kooperativer Geschäftsmodelle. Wie lange gibt es das KIW bereits und wie genau sehen seine Kernaufgaben aus?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gab Ende 2017 den Startschuss für das KIW. Es gibt uns also ziemlich genau seit 3 Jahren. Ende November wurde das KIW um 2 Jahre verlängert, worüber wir uns sehr freuen. Unsere Kernaufgabe besteht in der Unterstützung kleiner und mittlerer IT-Unternehmen bei der systemischen Vernetzung ihrer Produkte und Lösungen. Das Ziel ist dabei Anbieter- und Entwicklungskooperationen zu fördern, welche aus Sicht der Anwender zusammengehörige Geschäftsprozesse als eine durchgängige digitale Lösung abbilden können. Im Bereich der B2B-Software sind viele mittständische IT-Unternehmen immer noch marktführend, was nicht zuletzt auf die große Kundennähe und die genaue Kenntnis der Kundenprozesse zurückzuführen ist. Ein großes Thema ist jedoch die Interoperabilität mit anderen Softwareprodukten. Hier gibt es Entwicklungsbedarf. Die Zeit der Datensilos und Insellösungen ist vorbei. Software-AnwenderInnen erwarten heute einen medienbruchfreien Informationsfluss, um Synergien im Sinne der Digitalisierung auch nutzen zu können. Genau hier wird in der Zukunft die Fähigkeit der mittelständischen IT-Unternehmen zur systemischen Vernetzung eine wichtige Rolle spielen. Wenn dies gelingt, erhalten IT-AnwenderInnen für die unterschiedlichen Aufgaben im Unternehmen fachlich die besten Softwarelösungen, das Zusammenspiel als Gesamtlösung wird über offene Standards sichergestellt und Lock-in-Effekte werden durch die Austauschbarkeit der Einzellösungen vermieden.

Was unternimmt das KIW, um diese Ziele zu erreichen?

Zunächst informiert das KIW zu allen aus unserer Sicht wichtigen Themen rund um IT-Kooperationen. Bezogen auf den Prozess des Aufbaus von Kooperationsbeziehungen geben wir Antworten auf folgende Fragestellungen:

Thema Matching und Steuerung der Kooperationsanbahnung:
Wie finde ich geeignete Kooperationspartner?
Welche komplementären Softwarelösungen führen zu einem tragfähigen kooperativen Geschäftsmodell?
Wie gestalte ich den Prozess der Kooperationsbildung?
Welche Stolpersteine ergeben sich für das Projektmanagement?

Thema rechtliche Rahmenbedingungen:
Welche Optionen der juristischen Ausgestaltung einer Kooperation gibt es?
Wie lassen sich Interessensausgleiche gestalten?

Thema Software-Schnittstellen und IT-Sicherheit
Auf welche offenen Schnittstellen lässt sich die Kopplung von Softwareprodukten aufsetzen?
Welche Standards sollte man für einen sicheren Datentransfer von Beginn an berücksichtigen?

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist zudem die Entwicklung geeigneter Werkzeuge, um den Kooperationsaufbau zu unterstützen. Besonders zu nennen sind hier die B2B Matching-Plattform „IT2match“, der Schnittstellenkatalog als „openAPI“ Spezifikation und das Tech Radar. Alle Werkzeuge sind direkt über unsere Internetseite www.itwirtschaft.de nutzbar. 2021 wird ein Vertragskonfigurator für die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kooperationen folgen.

Neben dem Bereitstellen von Informationen oder Werkzeugen unterstützen wir konkrete Kooperationsvorhaben von IT-Unternehmen und begleiten Sie zu allen oben genannten Fachthemen persönlich und kostenfrei.

Was sind dabei Ihre Aufgaben als Geschäftsführer? Wofür können Sie sich dabei ganz besonders begeistern?

Zum einen bin ich sehr überzeugt von der Mission des KIW. Die Zusammenarbeit in IT-Konsortien aus mittelständischen Softwarelösungen, ob temporär für einen Kundenauftrag oder auf Dauer angelegt, birgt ein großartiges Potenzial für den IT-Mittelstand. Das treibt mich und auch das KIW-Team an. Konkret kann ich mich zudem sehr für die Digitalisierung des Kooperationsaufbaus begeistern. Hier haben wir die tolle Möglichkeit, eine Plattform von Grund auf selbst zu gestalten, die zu einem wichtigen Werkzeug der IT-UnternehmerInnen werden soll. IT2match ist seit 6 Monaten in den App-Stores und hat bereits über 500 AnwenderInnen. Diese Entwicklung in allen Facetten zu begleiten bereitet mir sehr viel Freude. Was meine Aufgaben anbetrifft, neben den typischen Leitungstätigkeiten, steuere ich die Überführung der Bedarfe und Erwartungen unserer Zielgruppe in unsere Portfolioentwicklung.

Das KIW stemmt zahlreiche Projekte. Welche Projekte würden Sie für unsere Leser hervorheben und warum?

Jedes einzelne Software-Konsortium, welches wir begleiten durften, hatte eigene Herausforderungen zu meistern und würde eine Nennung verdienen. Es freut mich aber immer besonders, wenn (junge) UnternehmerInnen mit großer Leidenschaft für das Thema Kooperation zu uns kommen und in kurzer Zeit vernetzte Produkte am Markt platzieren.

So ein Beispiel ist das IT-Konsortium „Digitale Signatur“. Die beiden IT-Unternehmen CombiPlus und TrackLean haben gemeinsam eine integrierte Software-Lösung entwickelt, mit der Schadensgutachten durch eine digitale Signatur einfacher und sicherer abgewickelt werden können.

Wer sich für unsere IT-Konsortien interessiert, findet Steckbriefe, Flyer oder Best Practice Broschüren auf unserer Webseite unter Projekte.

Die Corona-Pandemie hat in den letzten Monaten sehr vieles auf den Kopf gestellt. Wie sah die Vernetzung des IT-Mittelstands während der letzten Monate aus und wie ist die aktuelle Lage im KIW? Inwiefern hat die aktuelle Situation die Projekte beeinflusst und was konnten sie daraus lernen?

Die Corona-Pandemie hat ganz klar auch den IT-Mittelstand schwer getroffen. Bestellungen wurden storniert oder bestenfalls verschoben. Viele Projekte mussten aufgrund der neuen Unsicherheiten auf Eis gelegt werden. Der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (kurz BITMi) führte hierzu ganz aktuell eine Befragung durch. Zwei Drittel der Befragten gab dabei an Umsatzeinbußen durch Corona zu verzeichnen, darunter ein Drittel bis zu 50 Prozent (BITMi 2020). Diese Zahlen würden die Einschätzungen des gesamten Mittelstands, erhoben im KfW-Mittelstandspanel 2020 Anfang September, noch negativ übertreffen. Demnach rechnet mehr als jedes zweite Unternehmen (KMU) mit einem Rückgang des Umsatzes, im Durchschnitt um rund ein Viertel (KfW 2020). Die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie ist daher aktuell die wichtigste Aufgabe für die UnternehmerInnen. Andererseits konnten wir seit April auch ein Anstieg des Interesses für IT-Kooperationen feststellen, was die Vermutung zulässt, dass Kooperationen bei Erwartung konjunktureller Schwächephasen als Strategiebaustein für viele UnternehmerInnen an Bedeutung gewinnen.

Wie müssen sich ihrer Meinung nach KMU künftig aufstellen, um resilient agieren zu können?

Ich halte einen hohen Vernetzungsgrad der UnternehmerInnen, die Bereitschaft zur kooperativen Wertschöpfung, aber auch die Fähigkeit die eigenen Softwarelösungen interoperabel zu gestalten für sehr gute Beiträge, um als IT-KMU an Resilienz zu gewinnen. Zukünftig gut aufgestellt zu sein, bedeutet für mich, das eigene Leistungsportfolio als ein Puzzleteil in einer Systemlandschaft bei Anwendern zu verstehen und zu den wichtigsten Nachbarn Schnittstellen zu implementieren, um flexibel in verschiedenen Softwaregesamtlösungen einsetzbar zu sein. Diese Strategie stärkt den Fokus auf die Kernfunktionalitäten der eigenen Lösung und führt zum Ausbau der eigenen Alleinstellungsmerkmale.

Was ist Ihre Zukunftsvision für das KIW? Auf was kann man gespannt sein?

Das KIW möchte sich zu einer zentralen Anlaufstelle für Kooperationsvorhaben aus dem IT-Mittelstand entwickeln. Hierfür arbeiten wir mit Hochdruck am Ausbau von IT2match, um den IT-UnternehmerInnen ein modernes Werkzeug für die Vernetzung und den Kooperationsaufbau zu bieten. Hierfür suchen wir weiterhin den engen Austausch. Denn nur mit Hilfe von Feedback und geäußerten Bedarfen sind wir in der Lage, Funktionen einzubauen, die einen echten Mehrwert bieten.

 

Zur Person:

Janek Götze ist seit 2019 Geschäftsführer des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums IT-Wirtschaft. Er ist seit 15 Jahren in verschiedenen Themenkomplexen der Digitalisierung zu Hause. Sein Ausbildungshintergrund als Wirtschaftsingenieur liegt im Bereich Fabrikbetrieb und -organisation. Er war als Referent für die TU Chemnitz, die Westsächsische Hochschule Zwickau und die Industrie- und Handelskammer Chemnitz tätig. Sein aktuelles fachliches Interesse liegt in der Interoperabilität von Softwarelösungen zur medienbruchfreien Abbildung der Geschäftsprozesse von Unternehmen.

 

Quellen:

BITMi 2020 – https://www.bitmi.de/wp-content/uploads/BITMi-Blitzumfrage-Corona2020.pdf

KfW 2020 – https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Mittelstandspanel/KfW-Mittelstandspanel-2020.pdf