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Das Fairphone wurde erstmals im Jahr 2013 der Öffentlichkeit vorgestellt – als ein „Smartphone mit sozialen Werten“, das unter fairen Arbeitsbedingungen produziert wird. Es ist ein Projekt mit Vorbildfunktion, vielleicht auch mit Signalwirkung. Aber auch nach drei Jahren ist das Fairphone nicht mehr als ein Nischenprodukt.

Jeder von uns nutzt ein Smartphone, aber nur wenige machen sich Gedanken darüber, unter welchen Bedingungen die Geräte produziert werden. Ab und an liest man in der Presse etwas über die verheerenden Arbeitsbedingungen bei Herstellerbetrieben wie Foxconn, die Geräte für Apple, Samsung, Sony, Acer und viele andere Branchengrößen produzieren. Und dann war da noch dieser TV-Bericht über Konfliktmineralien wie Tantal und Wolfram, die häufig bei der Smartphone-Produktion eingesetzt werden. Für kurze Zeit spüren wir eine gewisse Empörung in uns, die im Regelfall schnell wieder verschwindet, sobald Apple ein neues iPhone vorstellt, das noch besser, noch schneller und noch teurer als sein Vorgänger ist.

Der Niederländer Bas van Abel wollte sich damit nicht abfinden. Er hatte eine Vision: das Fairphone. Aus der Vision wurde 2013 ein Start-up und bald schon überschlugen sich die Medien mit Berichten zum ersten „Öko-Smartphone“.

Was macht das Fairphone fair?

Im Gegensatz zu den meisten anderen Herstellern haben sich die Macher des Fairphones vor Produktionsstart (persönlich) auf die Suche nach Partnern gemacht, die in puncto Arbeitsbedingungen gewisse Mindeststandards einhalten. So muss es beispielsweise eine Arbeitnehmervertretung und ein sicheres Arbeitsumfeld geben. Eine weitere Voraussetzung sind faire Löhne. So kostete die Endmontage des ersten Fairphones, das für 325 Euro verkauft wurde, laut Analysten rund 9,50 Euro. Bei vergleichbaren Smartphones werden dagegen nur 2 bis 3 Euro fällig.

Fairphone
Jedes Jahr werden Millionen Smartphones weggeworfen – weil sie bewusst nicht auf Langlebigkeit ausgelegt sind oder die Verbraucher ganz einfach ein neueres Modell haben wollen. (Bild: Fairphone)

Fairphone selbst schreibt auf seiner Webseite:

Wir wollen dauerhafte Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreichen und für das Wohl der Arbeiter sorgen.

Neben den Produktionsbedingungen spielen beim Fairphone vor allem die zum Einsatz kommenden Rohstoffe und deren Gewinnung eine entscheidende Rolle. Dazu muss man wissen, dass jedes Smartphone in etwa 40 verschiedene Mineralien enthält, die unterschiedliche Funktionen erfüllen: So ist Wolfram ein wichtiger Bestandteil des Vibrationsmechanismus, wohingegen Tantal häufig verwendet wird, um die Kondensatoren zu verkleinern.

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Die Mineralien und Metalle haben ihren Ursprung im Bergbau – wo sie in ärmeren Ländern unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen abgebaut werden. (Bild: Fairphone)

All diese Mineralien und Metalle haben ihren Ursprung im Bergbau – wo sie gerade in ärmeren Ländern unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen und ohne Rücksicht auf die Umwelt abgebaut werden. Auch Kinderarbeit ist keine Seltenheit. Daneben sind vor allem Konfliktrohstoffe, deren Abbau Rebellengruppen finanziert, ein großes Problem.

Aus diesem Grund hat Fairphone erst Mitte Juni bekanntgegeben, dass es konfliktfreies Wolfram in seine Liefer- und Produktionskette aufgenommen hat. Damit ist das niederländische Unternehmen der erste Smartphone-Hersteller, der alle vier als problematisch eingestuften Mineralien (Gold, Zinn, Tantal und Wolfram) aus konfliktfreien Förderstätten bezieht.

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Das niederländische Unternehmen hat eine konfliktfreie Liefer- und Produktionskette aufgenommen. Auf diesem Bild, welches der Homepage entnommen ist sieht man die verschiedenen Stationen. (Bild: Fairphone)

Es ist uns wichtig, eine möglichst hohe Anzahl an verantwortungsvoll geförderten Rohstoffen in die Lieferkette aufzunehmen. Dabei liegt unser Fokus auf Gebieten mit hohem Konfliktrisiko, wie beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo.

Als drittes Fairphone-Ziel wäre nun noch das Thema Nachhaltigkeit zu nennen. Jedes Jahr werden Millionen Smartphones weggeworfen – weil sie bewusst nicht auf Langlebigkeit ausgelegt sind oder die Verbraucher ganz einfach ein neueres Modell haben wollen. Viele der ausgemusterten Smartphones landen auf dem Müll, nur wenige werden ordnungsgemäß recycelt. Aus diesem Grund ist das Fairphone modular aufgebaut. Das heißt, dass bestimmte Komponenten bei einem Defekt vom Nutzer selbst ausgetauscht werden können – etwa das Display, der Akku oder die Kamera. Der Prozessor, das Mobilfunkmodul sowie die WLAN-Antenne lassen sich derweil nicht so einfach ersetzen.

Durch seine Modularität soll das Fairphone eine deutlichen längeren Produktlebenszyklus bekommen. Der Anspruch von Fairphone:

Wir bestärken die Verbraucher darin, erst dann ein neues Handy zu kaufen, wenn das alte nicht mehr funktionsfähig ist.

Verbraucher zeigen kaum Interesse am Fairphone

Das Fairphone ist ein einzigartiges Projekt mit ambitionierten Zielen. Das niederländische Unternehmen setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in den Herstellerbetrieben ein, unterstützt soziale Projekte sowie die verantwortungsvolle Förderung von Rohstoffen in den Herkunftsländern und leistet zugleich auch noch einen wichtigen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit im IT-Bereich.

Nur eines schafft das Fairphone nicht: sich zu verkaufen.

Im Mai 2016 verkündete das Unternehmen stolz, dass man mit 100.000 verkauften Fairphones einen Meilenstein erreicht hätte. 40.000 Geräte der ersten und 60.000 Geräte der zweiten Fairphone-Generation wurden in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren verkauft. Apples iPhone 6s und iPhone 6s Plus gingen am ersten Wochenende nach dem Verkaufsstart knapp 13 Millionen Mal über die Ladentheke. Nun kann man die beiden Unternehmen natürlich nicht miteinander vergleichen, aber dennoch wird deutlich, dass das Fairphone trotz der medialen Aufmerksamkeit ein Nischenprodukt bleibt.

Konsumdenken schlägt Nachhaltigkeit

Bei einer Straßenumfrage würde wohl jeder Passant die von Fairphone verfolgten Ziele gutheißen – nur um kurze Zeit später bei Amazon ein Smartphone von Samsung, LG, Huawei oder Apple zu kaufen.

Die Erklärung dafür ist recht simpel: Abgesehen von den sozialen und ökologischen Aspekten gibt es kaum einen Grund, warum man sich für das Fairphone entscheiden sollte. Verglichen mit anderen Smartphones wirkt das es klobig und schwer, was in erster Linie am modularen Aufbau liegt. Die Kamera macht keine sonderlich guten Bilder, die Akkulaufzeit ist unterdurchschnittlich und auch die restlichen Spezifikationen hauen heutzutage niemanden mehr vom Hocker. Dennoch schlägt das Fairphone 2 mit 525 Euro zu Buche und ist damit teurer als andere, zum Teil deutlich besser ausgestattete Smartphones. Selbst umweltbewusste Käufer denken da zweimal nach, ob sich die Anschaffung auch wirklich lohnt.

Das Fairphone basiert auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit – trifft aber auf eine Realität, in der das Konsumdenken den Markt dominiert. Während Fairphone dafür wirbt, Mobiltelefone länger zu benutzen (im Idealfall bis sie kaputt gehen), bieten immer mehr Netzbetreiber ihren Kunden die Möglichkeit, alle 12 Monate kostenlos ein neues Smartphone zu erhalten. Das ist genau der Zeitraum, den die Hersteller benötigen, um ihre neuen Flaggschiffe auszuliefern.

Ein Smartphone, dessen Hauptverkaufsargument die faire Herstellung ist, hat da kaum eine Chance.

„Join a movement!“

Da hilft übrigens auch die Modularität des Fairphones nicht weiter. Im Gegensatz zu vielen anderen Smartphones lässt sich dieses zwar leicht reparieren, nur leider wollen viele Menschen ihr Smartphone nach drei Jahren eben nicht mehr reparieren, sondern am liebsten gegen ein neues eintauschen. Erschwerend kommt hinzu, dass beim Fairphone – zumindest bislang – lediglich der Austausch der von Haus aus verbauten Module angedacht ist, nicht aber das Aufrüsten des Smartphones mit leistungsstärkeren Komponenten (etwa mit einer hochauflösenderen Kamera oder einem besseren Display).

„Buy a phone, join a movement“ – mit diesem Slogan wirbt Fairphone. Es bleibt zu hoffen, dass sich in naher Zukunft die großen Smartphone-Hersteller dieser Bewegung anschließen und sich ein Beispiel an den Produktionsstandards von Fairphone nehmen. Das würde das Fairphone zwar immer noch nicht zum Kassenschlager machen – aber dennoch hätten die Macher ihr Ziel erreicht: eine faire Produktionskette, in der soziale und ökologische Werte dominieren und nicht allein das Profitdenken.

Wer mehr über das Fairphone und dessen Philosophie erfahren möchte, findet hier alle Informationen.