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Er hält nicht nur auf dem shareBW-Kongress eine der beiden Keynotes. Er gilt in der Szene auch als Experte in Sachen Digitalisierung. Um einen ersten Impuls vor seinem eigentlichen Vortrag zu erhaschen, durfte ich Ibrahim Evsan im Interview zum Thema Share Economy befragen.

Auf dem shareBW Landeskongress in Karlsruhe sprichst du im weitesten Sinne zum Thema Share Economy. Das Thema ist zwar schwer angesagt, doch noch immer gibt es eine Mehrzahl an Menschen, die mit Uber oder Airbnb nichts am Hut haben. Was bringt deiner Meinung nach die Begrifflichkeit Share Economy am ehesten auf den Punkt? Wie könnte man die erwähnten Menschen abholen?

Ibrahim Evsan ist Gründer von Connected Leadership und Digitalisierungsexperte. (Bild: Ibrahim Evsan)

Im Grunde geht es bei der Sharing Economy ja darum, dass man ungenutzte Ressourcen im Ganzen oder teilweise mit anderen teilt. Doch ich glaube, dass die Sharing Economy, also dieser Leitgedanke, schon viel früher beginnt. Nämlich bei einem selbst. Schließlich teilt man auch Gedanken – mit sich selbst und mit anderen. Anschließend folgt dann die Aktion, das Auseinandersetzen mit den damit verbundenen Fragen: Warum sollte man teilen? Und was bedeutet das eigentlich? Damit wird auch der Gedanke zu einer Ressource, nicht nur das Teilen selbst. Letztendlich ermöglicht die Idee oder Handlung tendenziell eine bessere Ausnutzung des vorhandenen oder des zu entwickelnden Potenzials.

Um auf die Sharing Economy als solche zurück zu kommen, lässt sich also sagen, dass das Teilen ungenutztes Potenzial ausschöpft. Dies werden wir in Zukunft in vielen weiteren Bereichen sehen, denn die Technologien entwickeln sich immer weiter. Vernetzte Geräte sorgen für einen reibungslosen und nutzerfreundlichen Ablauf, sodass es weder zeitliche noch ortsgebundene Hürden gibt. Das bedeutet, dass die Systeme sich selbst vernetzen und Daten teilen- teilweise ohne, dass wir davon etwas mitbekommen. Auch das kann eine Form der Sharing Economy sein beziehungsweise werden. Letztendlich kann man es auch mit der Smartphone-Nutzung vergleichen. Wie Smartphones vor wenigen Jahren die klassischen privat genutzten Film- und Fotokameras verdrängten, hat die Share Economy das disruptive Potenzial, in vielen Bereichen Eigentum durch zeitweise Nutzung von Produkten und Services zu ersetzen.

Die größte Hürde dürfte dabei sein, dass diese Automatisierung konform mit der derzeit heiß diskutierten DSGVO geht. So lebt Share Economy auch von geteilten Informationen, nicht nur von Sachleistungen wie ein Auto oder eine Wohnung. Allen muss klar sein, dass derzeit die Share Economy ein Reißaus aus dem privaten Segment versucht. Unternehmen übernehmen immer mehr den Markt und das sieht man nicht nur an Unternehmen wie Airbnb. Was jetzt eigentlich nur noch fehlt, ist eine breit aufgestellte staatliche Förderung auf Sharing-Projekte. Ich vergleiche das immer gerne mit dem Computer-spezifischen Peer-to-Peer-Netzwerk. Dort sind nicht nur alle Beteiligten gleichberechtigt, alle können Dienste in Anspruch nehmen; aber auch zur Verfügung stellen. Wie ich finde, eine tolle Vorstellung einer nachhaltigen Gesellschaft.

Bleiben wir bei Uber oder Airbnb. Der Marktwert von den Sharing-Economy-Unternehmen, wie etwa Airbnb und Uber, ist in den letzten Jahren rapide angestiegen. Wir sprechen da von Bewertungen in Milliardenhöhe – von Unternehmen, die nicht ein eigenes Hotelzimmer oder Taxi besitzen? Was sind denn die guten Intentionen solcher Unternehmen, was beispielsweise die negativen Auswüchse solcher sogenannten Plattformökonomien?

Die Idee, dass Unternehmen Dinge zusammenbringen die zusammen gehören ist doch nachvollziehbar. Die Unternehmen, die das so kundenzentriert machen, dass der Kunde sich selbst sehr gut dabei fühlt die Dinge zu teilen, die er gerne hat, können nur erfolgreich werden. Ein Beispiel: Ich bin letztens Uber gefahren, wo ein Fahrer einen längeren Weg gewählt hat. Im Anschluss habe ich bei Uber eine Anfrage gestellt und gesagt, dass diese Fahrt gegenüber anderen Fahrten zu teuer war. Kurz darauf, wurden mir 50% der Fahrt sofort erlassen. Wenn ich mir dieselbe Situation nun mit einem Taxifahrer vorstelle, fühle ich mich schon bei der Vorstellung schlecht.

Der Service wird mittels der uns zur Verfügung stehenden Technologien endlich nachvollziehbar und Anbieter können diese genauso unterstützend nutzen, wie der Nutzer selbst. Letzterer hat dabei nun die Möglichkeit, den Service ohne viel Sachverstand zu hinterfragen; die Unternehmen können dagegen diese Informationen dazu nutzen, den Service für den Kunden einzusetzen. Schwarze Schafe gibt es ja immer. Mittlerweile behaupte ich aber, wer sich mit dem Angebot der Share Economy auseinandersetzt, egal ob Anbieter oder Nutzer, wird viel Gutes erfahren. Ich gehe davon aus, dass sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anpassen werden, die Qualität und Sicherheit weiter verbessert werden.

Werfen wir dabei einen Blick auf den privaten Bereich. Die neuen Plattformen erlauben es uns doch endlich viel einfacher zu teilen. Heutzutage ist es relativ simpel, sich die Kosten für eine Autofahrt mit jemandem zu teilen, den man nicht einmal kennt. Portale wie BlaBlaCar sei Dank. Und gestaltet man zusammen diese Art Plattformen, dazu gehört auch Kritik anzunehmen und mit in das Projekt einfließen zu lassen.

Der bekannte Professor und Ökonom Birger Priddat ist nicht der Meinung; doch kann die Sharing Economy nicht doch einen Beitrag zum nachhaltigen Wandel unserer Wirtschaft liefern? Klar ist, dass sich die Eigentumswelt zu einer Nutzungswelt verändern wird. Doch wie sieht es mit den einzelnen Volkswirtschaften aus. Beispiel Car-Sharing. Immer mehr Automobilhersteller steigen als Geldgeber bei Projekten mit ein. Was passiert, wenn sie Erfolg haben – verkaufen sie dann weniger Autos?

Was wäre daran schlimm, dass Konzerne weniger Umsatz durch das Verkaufen von Produkte machen? Und wer sagt, dass man immer mehr Umsatz machen muss? Wichtig ist doch hierbei, dass wir ein System entwickeln, dass sich gegenseitig aufwertet. Weniger Autos bedeutet, weniger Stress für die Käufer, bessere Umweltbedingungen, mehr Möglichkeiten das eingesparte Geld woanders zu nutzen oder zu investieren.

Und bisher sagen die Zahlen ja auch aus, dass das Teilen sogar zu Investitionen führt. Eine Studie aus dem Hause Deloitte geht davon aus, dass die Investitionen in Share-Economy-Projekten weiterwachsen werden. In Deutschland prognostizieren Experten für 2018 ein Wachstum von 25 Milliarden Euro. Die Zahlen überraschen mich nicht. So nutzten bereits 2017 in Deutschland satte 39 Prozent die Share-Economy-Plattformen. Dabei gaben sie im Schnitt mal eben 800 Euro aus. Wenn das kein Markt ist, dann weiß ich auch nicht.

Wagen wir einen Blick in die Glaskugel. Wie wird sich deiner Meinung nach die Sharing Economy weiter entwickeln? Speziell in Europa ist Privatbesitz noch immer ein Aushängeschild und Statussymbol für den westlichen Reichtum.

Ich denke, wir werden immer mehr ein Gefühl der Selbstliebe entwickeln müssen. Erst wenn ich zufrieden mit mir selbst bin, brauche ich nicht mehr zu besitzen. Gleich nach dem Motto: Zu schätzen wusste ich erst was ich habe, als ich es nicht mehr hatte. Das bedeutet beileibe nicht, dass ich geteiltes vermisse. Vielmehr freue ich mich für den anderen. Ich weiß natürlich, dass das eine gewagte These ist und ich bin mir sicher, dass viele hier denken, was möchte der Ibo nur damit sagen. Deshalb nenne ich mal ein für mich passendes Beispiel:

Ich habe mir vorgenommen, alles was ich nicht brauche zu verkaufen. Als ich damit angefangen habe, griff ich das Beispiel von ‚Love It Or Leave It‘, eine Kurzgeschichte von Charles Bukowski aus dem Buch ‚Tales of Ordinary Madness‘ auf. Ich habe in kurzer Zeit festgestellt, dass ich viele Dinge, die ich irgendwann mal gekauft habe, gar nicht brauche. Somit habe ich zwei Dinge erreicht: Meine Wohnung sieht viel aufgeräumter aus und mein Konsum ändert sich enorm. Jedes Mal, wenn ich etwas bestelle, frage ich mich: Brauche ich das wirklich? Wie verändert es mein Leben zum Besseren? In der Regel breche ich dann den Kauf ab. Erstaunlicherweise erregt mich dieser Gedanke mehr, als etwas zu kaufen, um mich zu befriedigen. Genau so geht es mir mit Autos. Ich leihe mir lieber kurzfristig ein Auto, als es zu besitzen. Das wird die große Veränderung der nächsten 50 Jahre sein. Durch Selbstliebe und Achtsamkeit weniger zu konsumieren. Ach ja, und wenn noch was übrigbleibt, anderen geben, die es mehr benötigen.