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Das selten genutzte Elektroauto eines kleinen mittelständischen Unternehmens war für Michael Böttger die Initialzündung für die Entwicklung eines neuen Systems zur nachhaltigen Nutzung von automobilen Ressourcen. „Dieses Auto kann eigentlich von mehreren Firmen gleichzeitig für Dienstfahrten genutzt werden. Dann können die Kosten fair geteilt und die Elektromobilität vorangetrieben werden“, sagt der Geschäftsführer des Karlsruher Unternehmens raumobil GmbH.

Gemeinsam mit den IT-Experten der Bruchsaler Firma RA Consulting GmbH entwickelte raumobil daraufhin die Plattform Local Zero. Mit dem webbasierten Fuhrparkmanagement für kleinräumige Zusammenschlüsse können mehrere Firmen auf einen Fahrzeugpool zugreifen und sich anschließend auch noch die Kosten für die Nutzung berechnen lassen. „Eigentlich ist es ein Kalender mit Echtzeitdaten und einigen zusätzlichen Werkzeugen wie der Kostenberechnung“, beschreibt Böttger das Prinzip von Local Zero. Und die Resonanz auf die Idee war durchaus beachtlich. Beim vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ausgelobten landesweiten Ideenwettbewerb shareBW Wettbewerb Sharebw gehörte raumobil im Herbst 2017 zu den insgesamt vier Preisträgern.

Mit dem Preisgeld in Höhe von 44 000 Euro konnte dann die Weiterentwicklung der Plattform und ein Pilotprojekt in Bruchsal mit einem Elektroauto und drei Pedelecs initiiert werden. Die Ergebnisse wurden dann auf dem Landeskongress shareBW am 4. Juli im ZKM in Karlsruhe offiziell vorgestellt.

Local Zero kann auch für Verwaltung von Sportanlagen und Wohnquartieren genutzt werden

Allerdings tauchten bei den ersten Praxistestes auch die ersten Probleme auf. „Die Frage des Versicherungsschutzes stellt doch eine gewisse Hürde dar“, so Böttger. Außerdem müssten auch noch steuerrechtliche Fragen geklärt werden, etwa wer für das Fahrtenbuch zuständig ist und welche Personen die Fahrzeuge benutzen dürfen. Wenn sich mehrere Kleinunternehmer bei solchen Fragen nicht einigen können, muss nach Böttgers Einschätzung künftig noch ein Dienstleister für den Kauf und die Vermietung der Autos ins Boot geholt werden. Dieser Dienstleister kann dann für die bedarfsgerechte Vermietung ebenfalls auf Local Zero zurückgreifen.

Doch auch Vereine und Organisatoren können die Vergabe ihrer Ressourcen mit Local Zero optimieren und ein Sportverein in Rheinland-Pfalz gehört deshalb nicht von ungefähr zu den ersten Nutzern. „In vielen Gemeinden greifen mehrere Vereine auf die Sportplätze und Hallen zu. Diese Kapazitäten können mit unserer Plattform ebenso verwaltet werden wie ein gemeinsamer Pool an Mannschaftsbussen“, so Böttger. Ohnehin ist Local Zero für die Verwaltung von sämtlichen nur denkbaren Ressourcen geeignet und auch die Nutzung von Lagerhallen oder Geräteparks kann damit gut organisiert werden. Bei der Selbstverwaltung eines größeren Wohnhauses oder eines ganzen Quartiers kann Local Zero ebenfalls eingesetzt werden. „Es gibt schließlich Mieter, die ihr Auto ebenso mit den Nachbarn teilen wollen wie die Waschmaschine oder den Trockner“, sagt Böttger.

„Sharing ist bislang eher ein Geschäftsmodell“

Die eigentliche Idee, nämlich dass sich mehrere Firmen gemeinsam ein Elektroauto anschaffen und dessen Nutzung dann mit Local Zero verwalten könnten, ist laut Böttger mittlerweile sogar ein Stück weit in den Hintergrund getreten. „Vielleicht waren wir mit dieser Idee sogar etwas zu früh dran“, sagt Böttger. Viele Firmen sähen schließlich trotz der geringeren Betriebskosten keinen triftigen Grund für den Umstieg auf die Elektromobilität. Zudem sei ein Dienstfahrzeug in den größeren Unternehmen auch ein wichtiges Instrument zur Mitarbeiterbindung. „Und weil die Leute mit ihrem Dienstauto auch in den Urlaub fahren wollen, entscheiden sie sich wegen der größeren Reichweite und des guten Tankstellennetzes meistens für ein Modell mit Verbrennungsmotor“, so Böttger.

Das Prinzip der Share Economy ist nach Böttgers Einschätzung ebenfalls noch nicht in den Unternehmen angekommen. „Sharing ist bislang eher ein Geschäftsmodell. Mit der Kultur des Teilens hat das dann am Ende teilweise nur recht wenig zu tun“, so Böttger. Prinzipiell sei gegen das Entwickeln von neuen Geschäftsmodellen zwar nichts einzuwenden. „Aber manchmal gerät das eigentliche Ziel, nämlich der schonende Umgang mit den Ressourcen, zu sehr in den Hintergrund“, so Böttger.

Seit 2006 entwickelt raumobil nachhaltige Mobilitätskonzepte

Das Karlsruher Unternehmen raumobil wurde 2006 als Startup aus der Taufe gehoben und ist mittlerweile hauptsächlich auf die Entwicklung von Mobilitätskonzepten spezialisiert. „Mobilität spielt in unserer Gesellschaft eine zunehmend wichtige Rolle“; betont Böttger. Derzeit ist raumobil auch am Projekt RegioMOVE beteiligt. Dabei soll der bewährte Mix aus den Straßenbahnen und Omnibussen des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV) durch die Einbindung von Leihfahrrädern sowie Carsharing über die Haltestellen hinaus in die Region erweitert werden. Bereits im Januar 2015 wurde RegioMOVE als eines von insgesamt 21 Leuchtturmprojekten des landesweiten Wettbewerbs RegioWIN ausgezeichnet und am 1. Dezember 2017 fiel durch die Übergabe eines Förderbescheids über 4,9 Millionen Euro der offizielle Startschuss für das von KVV und dem Regionalverband Mittlerer Oberrhein erarbeiteten Konzepts. Weitere Konsortialpartner sind das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, das FZI Forschungszentrum Informatik, die PTV Group, die INIT GmbH, Stadtmobil CarSharing sowie die Stadt Karlsruhe und der Landkreis Rastatt. Auch dort müssen die Planer nach Böttgers Einschätzung noch einige Fragen beantworten. „Die Preisgestaltung wird sicherlich eine spannende Sache“, sagt Böttger. Dafür müssten schließlich die Interessen des gewinnorientierten Karlsruher Carsharing-Anbieter Stadtmobil und des durch Steuergelder subventionierten KVV unter einen Hut gebracht werden.

Für das Karlsruher Festival DAS FEST entwickelte raumobil das Konzept „Green Mobility“. Damit konnten die Festivalbesucher die verschiedenen Anreise-Alternativen wie Bus, Bahn, Fahrrad, Mitfahrzentrale oder Auto in punkto Zeit, Kosten und Umweltbilanz miteinander vergleichen. Gerade bei den großen Festivals wie DAS FEST, Rock am Ring oder Wacken sei die Erstellung eines solchen Angebots eine gewisse Herausforderung, sagt Böttger: „Man muss schließlich nicht nur wissen, wo der Bahnhof ist, sondern auch, wo sich Bühne, Eingänge und Parkplätze befinden“.

TitelbildshareBW / Björn Pados
Ekart Kinkel
Ekart arbeitet seit 2003 als freiberuflicher Journalist, PR-Berater und Dozent in Karlsruhe. Vorher hat er an der Universität Karlsruhe Maschinenbau studiert. Sein dadurch erlangtes technisches Rüstzeug lässt er heute in zahlreiche Veröffentlichungen über die boomende Karlsruher IT-Branche im Wirtschafts- und Wissenschaftsteil der Tageszeitung BNN mit einfließen. Seine Freizeit verbringt er aber hauptsächlich in der analogen Welt, nämlich auf dem Tennisplatz, in der Handballhalle oder beim Wandern mit der Familie im Pfälzerwald.