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Glasfaseranschluss oder auch meine Verständnishilfe für alte Strukturen

Mind_IT-Kolumne von Grischa Hauser
Lesedauer ca. 4 Minuten

Wir gehen kurz zurück ins Jahr 2021. Meine Firma, die COMPAILE Solutions GmbH ist gerade 2 Jahre alt. Mit Sitz in Karlsruhe-Durlach fühlen wir uns wohl in dieser technikaffinen Stadt mit Forschung und Innovation an jeder Ecke. Wir sind zu diesem Zeitpunkt ein kleines Team, dementsprechend schnell arbeiten wir. Keine langen Absprechungsrunden, kurze Wege – kurzum – das klassische Startup. Und so schnell und agil wir arbeiten, so sehr treffen wir bei möglichen Kunden manchmal auf festgefahrene Strukturen (“Das haben wir aber schon immer so gemacht”), Abteilungsleiter und technische Voraussetzungen, die uns manchmal überraschen. Aber wir wollen ja mit unseren KI-Lösungen wirklich Problemlöser werden und geben alles, um die Kunden von der Digitalisierung ihrer Produktion zu überzeugen.

Zugegeben, wir erwischen wir uns öfter bei dem Gedanken “wie kann das denn so schwer sein, das ist doch superschnell umgestellt und alle profitieren davon”. Und hier kommt unsere Nemesis –  unser Glasfaseranschluss – ins Spiel.

Als IT-Unternehmen benötigen wir natürlich einiges an Internetleistung/Bandbreite und so sind wir sofort dabei, nach möglichen Glasfaseranschlüssen zu recherchieren. Doch alle Anfragen bei unterschiedlichen Unternehmen scheitern, zum damaligen Moment ist kein Ausbau in unserer Straße geplant. Also stocken wir unseren Anschluss maximal auf und freuen uns erstmal, als der dafür eingesetzte Techniker (Anbieter A) erkennt, dass keine 50 Meter vom Haus entfernt ein Verteiler für Glasfaser steht. Anschließen kann er uns leider nicht, denn der Verteiler ist noch nicht aktiviert. Und Anbieter A plant auch noch keinen Ausbau hier. Aber hey, das wird ja wohl nur noch eine Frage der Zeit sein. Oder?

Dann ein großes Aufatmen, als ein Flyer im Briefkasten liegt, der von einem neuen Anbieter, Anbieter B, einen Glasfaseranschluss anbietet. 2022 können wir dann endlich den Vertrag schließen, wir freuen uns. Doch dann passiert erstmal ein halbes Jahr gar nichts. Nach dem Winter ist es dann endlich soweit, Anfang 2023 schickt Anbieter B Handwerker vorbei, es wird im ganzen Haus gebohrt und gehämmert, überall Glasfaser verlegt. Jetzt fehlt nur noch die Erschließung der Straße, dann kann es endlich losgehen. Wir fühlen uns ungefähr so, als stünden wir nach einem erfolgreichen PoC nun kurz vor einem großen Auftrag.

Und dann? Dann gehen die Jahre ins Land. Zunächst flattern alle 3 Monate Briefe und E-Mails rein, alle ungefähr mit demselben Wortlaut “bald ist es soweit, wir warten nur noch auf die Genehmigung, wir stehen selbst in den Startlöchern”. Doch es passiert nichts. 2023 nicht. 2024 nicht. Die Briefe und E-Mails werden weniger, irgendwann enden sie ganz. Wir fragen nach, werden vertröstet und wieder vertröstet. Irgendwann stellt der Anbieter sich komplett tot. Selbst am Telefon bekommen wir immer nur die Aussage, “wir warten noch auf Genehmigung”.

Und mit jedem Mal vertröstet werden wächst bei mir gleichzeitig das Verständnis, wie schwierig es für manche Kunden sein muss, neue Prozesse einzuführen. Hat man doch vielleicht ähnlich lange wie wir um die alten Prozesse gekämpft, bzw. daran gearbeitet. Will man da wirklich ins Risiko gehen? Es klappt ja gerade alles “so gut”. Aber was ist, wenn das, was danach kommt, so viel mehr Mehrwert bietet? Das unserem Kunden deutlich zu zeigen und mit ersten PoCs zu beweisen, lernen wir in dieser Zeit. Also immerhin etwas Gutes hat die Warterei.

Wir wollten aber die Veränderung schon immer und glauben die Genehmigungs-Ausrede irgendwann nicht mehr. Wir denken, das kann doch nicht stimmen und fragen bei der Stadt nach. Und siehe da, nicht nur ist die Genehmigung längst erteilt – nein der Anbieter hat der Stadt auch bereits einen erfolgreichen Ausbau rückgemeldet. Blöd nur, dass bei uns davon nichts ankam.

Mit diesen Infos überschlagen sich dann die Ereignisse. Zum einen erwarten wir nun endlich Antworten von unserem Anbieter B. Gleichzeitig wirbt auf einmal Anbieter A (wir erinnern uns) mit Ausbau von Glasfaser. Genau 27 m Luftlinie von unserem Bürogebäude entfernt wird ein großer Werbewagen aufgebaut. Glasfaser überall. Aber wirklich in ganz Gallien? Nein! Eine von unbeugsamen Galliern bevölkerte Straße hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.

Genau, du ahnst es schon. Wir sitzen nun weiterhin als einzige Straße in Karlsruhe-Durlach ohne Glasfaseranschluss.

Manchmal haben Geschichten kein Happy End, aber wir lachen nun darüber während wir weiterhin alles geben, um innovative Lösungen für Unternehmen zu entwickeln, die wenigstens beim Digitalausbau nicht im Jahr 52 v. Chr. stecken geblieben sind.

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