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In Deutschland streiten Taxifahrer mit dem Online-Fahrdienst Uber. Dadurch gerät auch das Prinzip der Share Economy zunehmend in die Kritik. In Asien dagegen profiliert sich eine ganze Stadt als Sharing City. 

Journalisten, Wissenschaftler oder Gewerkschafter äußern aktuell viel Kritisches über die sogenannte Share Economy. Für den Musiker, Informatiker und diesjährigen Friedenspreisträger Jaron Lanier ist die Idee vom Teilen statt Besitzen eine Täuschung. Um altruistische Motive gehe es nur oberflächlich. Im Kern seien aktuelle Formen der Share Economy vergleichbar mit Schattenwirtschaften in Entwicklungsländern, sagte Lanier in seiner Rede in der Frankfurter Paulskirche. Sascha Lobo beschreibt Sharing-Plattformen – etwa den Fahrdienst Uber, der vom Internetriesen Google und dem Finanzdienstleister Goldman Sachs finanziert wird, oder die Zimmervermittlung Airbnb, die vor allem von professionellen Vermietungen, nicht sporadischen Übernachtungsangeboten profitiert – als Repräsentanten eines „Plattform-Kapitalismus“. Für Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste, vollende sich in der Sharing Economy der Kapitalismus: „Der Kommunismus als Ware, das ist das Ende der Revolution“, schreibt er in der Süddeutschen Zeitung.

Die Aufregung wirkt für viele etwas überzogen. Die Lust zu Teilen ist in der deutschen Bevölkerung auch gar nicht so groß. Nur junge und gut situierte Deutsche begrüßen die Share Economy zeigen die Ergebnisse einer Umfrage der GfK. Außerdem: Was soll schlecht daran sein, Gebrauchsgüter gemeinsam zu nutzten – also zu teilen beziehungsweise zu leihen? Integriert sein, etwas Gutes tun und dabei sogar ein bisschen Geld verdienen – das klingt verlockend und hat sich bereits sogar bewährt. Ein gutes Beispiel sind die zahlreichen Online-Mitfahrvermittlungen. Uber behauptet nun, das eigene Modell funktioniere ähnlich und stellt sein Angebot UberPOP im Interview mit Panorama als Service dar, „der Sicherheit und Flexibilität vereint, indem er Autobesitzern dazu verhilft, mehr Nutzen aus ihrem Auto zu ziehen. Das hilft der Umwelt und den Fahrern, denn sie können so ihre Kosten reduzieren“. Auch dass sich das Sharing-Economy-Unternehmen disruptiv und progressiv präsentiert, wirkt zunächst nicht negativ.

Schaut man genauer hin, zeigen sich jedoch Unterschiede zu bekannten Modellen des Teilens sowie zahlreiche problematische Aspekte. Stefan Schulz stellt etwa auf Spiegel Online fest: „Wenn Firmen andere Firmen mit besseren Produkten plattmachen, dann geht das schon in Ordnung. Wenn sie nur billiger als die Konkurrenz sind, weil sie auf Sicherheit und Hygiene pfeifen, dann ist das schon nicht mehr so sympathisch. Es erinnert vielmehr an Pferdefleischpanscherei und Hungerlohnfabriken in Kambodscha.“

Der krasse Unterschied von Uber zu anderen Mitfahrvermittlungen ist zum einen die strikte Renditeorientierung, zum anderen die Unterwanderung von Standards und Gesetzen, etwa des Personenbeförderungsgesetzes. Die Zeit fragt Fabien Nestmann, den Pressesprecher von Uber Deutschland, deshalb: „Sie behaupten, Fahrten über Uber seien gar nicht gewerblich. Die Fahrer hätten formal keinen Anspruch auf Bezahlung, sondern nur auf eine ‚freiwillige Servicepauschale‘. Wollen Sie die Deutschen für dumm verkaufen?“ Niemand erwartet schließlich Selbstlosigkeit von einem aggresiv auftretenden Unternehmen. Auf einen weiteren Aspekt weist der Branchenverband Taxi Deutschland im Gespräch mit der Berliner Zeitung hin: Im Gegensatz zu anderen Fahrvermittlern wähle bei Uber der Fahrgast, nicht der Fahrer den Zeitpunkt und das Ziel der Fahrt. Und der Unterschied zu gewinnorientierten Car-Sharing-Unternehmen? Diese müssen selbst Fahrzeuge zur Verfügung stellen und einen Teil der Verantwortung übernehmen während Uber mit UberPop ganz auf die Autos seiner Mitglieder setzt. Die UberPop-Fahrer haften dabei selbst, nicht Uber. So lässt sich einfach Gewinn erzielen.

Entscheidend ist, wer die Grenzen setzt

Die Sorge der professionellen Taxifahrer sowie von Gewerkschaftlern und Arbeitsrechtlern in Deutschland ist vor allem, dass sich ein illegales Kleinunternehmertum von Amateuren entwickelt, das die Löhne von ausgebildeten Kräften drückt. Das Finanzamt bangt dabei um Steuereinnahmen und die Zivilgesellschaft, die alternative, nicht-kommerzielle Teil- und Tauschbörsen initiiert, protestiert gegen einen möglichen Ausverkauf der gesellschaftlichen Werte.

Von der anderen Seite des Globus sind dagegen hoffnungsfrohe Töne zu hören. Der Bürgermeister der südkoreanischen Hauptstadt Seoul spricht in erster Linie von den Vorteilen des Teilens. Er will die Share Economy als Lebensstil etablieren. Die Stadt bezeichnet sich als Sharing City. Die Politik baut gezielt eine auf das Teilen ausgerichtete Infrastruktur aus, fördert nicht-kommerzielle Projekte, aber auch Start-ups, wie den Business-Kleider-Verleih „Open Closet“. Die Menschen in Seoul teilen Wohnraum, Mahlzeiten, Werkzeuge und vieles mehr. Die Ziele: Ressourcen und damit die Umwelt schonen, Energie sparen, Abfall vermeiden, weniger betuchten Menschen Möglichkeiten bieten und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Als erste europäische Metropole des Teilens und Tauschens gilt Sharing-Aktivisten bereits die niederländische Hauptstadt Amsterdam.

Das Beispiel Seoul und auch bescheidene Sharing-Initiativen – vom Haus- oder Wohnungstausch über die Mitfahrgelegenheit bis zur Vermittlung von Werkzeugen oder Nachbarschaftsdiensten – zeigen: Share Economy ist nicht per se problematisch. Dass möglicherweise eine Leihgebühr anfällt, die Benzinkosten geteilt werden, ein kleiner Lohn für die Mühe gezahlt wird, ist auch nicht das Problem. Die Grenzen und Regeln sind entscheidend und vor allem die Frage, wer sie festsetzt: Es macht einen Unterschied, ob ein Unternehmen oder die Politik den Takt vorgibt und auch ob die Gesellschaft oder nicht vielmehr die Firmen der Share Economy von den Angeboten profitieren? Wie viel Share Economy wir vertragen, kann deshalb nicht pauschal beantwortet werden. Nicht allein Parlamente oder Gerichte, sondern jeder einzelnen entscheidet, ob bei einem Angebot Altruismus diskreditiert, Unterstützung zur Ware und Wohlwollen mit Eigennutz verknüpft wird.