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In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland viel über die Digitalisierung der Verwaltung diskutiert – und trotzdem gibt es bislang nur wenige behördliche Angelegenheiten, die man online erledigen kann. Das soll sich nun ändern. 

Hierzulande können Bürger rund 2.500 verschiedene Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen – und das tun sie auch. Laut Spiegel verbringen die Deutschen pro Jahr unglaubliche 400 Millionen Stunden mit Behördengängen. Eine schier unglaubliche Zahl, vor allem wenn man bedenkt, dass inzwischen 93 Prozent aller Haushalte über einen Internetzugang verfügen. Aber was nützt es, wenn die Bürger eines Landes online sind, die Behörden aber noch weitestgehend analog agieren? Nicht umsonst belegt Deutschland innerhalb der EU Platz 21 von 28 bei der Umsetzung der digitalen Verwaltung.

Wie es anders geht, zeigt ein Blick nach Schweden. Es gibt eine Personennummer, über die die gesamte Kommunikation mit Ärzten, Behörden und Banken abläuft. Inzwischen gibt es mehr als 3.000 solcher E-Services, die der schwedische Staat seinen Bürgern anbietet. Die Steuererklärung wird per SMS erledigt. Auch eine elektronische Patientenakte wurde schon vor vielen Jahren flächendeckend eingeführt.

Von diesem Digitalisierungsgrad sind wir in Deutschland zwar noch Lichtjahre entfernt, aber  auch hierzulande entdecken immer mehr Behörden die Vorteile der digitalen Welt für sich.

Digitale Verwaltung: Der Enzkreis macht es vor

Als ich Anfang Januar ein neues Auto zulassen wollte, machte ich mich zunächst über die Möglichkeiten im digitalen Raum schlau – nur um festzustellen, dass ich wohl doch nicht um den Gang zur Zulassungsstelle herumkommen werde. Einziger Lichtblick: Die für den Enzkreis zuständige Zulassungsstelle nutzt den Online-Dienst „NetAppoint“, mit dem man Termine zu einer festen Uhrzeit reservieren kann. Somit blieb mir immerhin das stundenlange Warten erspart.

Einen Termin online reservieren – das ist in der Gastronomie schon seit vielen Jahren gang und gäbe. Mit der viel gepriesenen digitalen Verwaltung hat das allerdings wenig zu tun. Das wissen auch die Verantwortlichen im Enzkreis, die laut einem Zeitungsbericht große Pläne haben.

Folgende Leistungen sollen künftig komplett online abgewickelt werden können:

  • die Beantragung des Führerscheins
  • das Einreichen von Bauanträgen

Weiterhin sind Plattformen für Echtzeit-Verkehrsinformationen sowie für hiesige Streuobst-Akteure geplant. Für die zeitgemäße optische Aufbereitung soll ein überarbeiteter Internetauftritt sorgen. Interne Schulungen werden bereits seit geraumer Zeit über die E-Learning-Plattform „WissEnz“ umgesetzt.

Personalausweis Online

Digitalisierung der Verwaltung scheitert auch an den Bürgern

Fest steht, dass bereits bei der Einführung des neuen Personalausweises mit Online-Funktion zahlreiche Fehler gemacht wurden. Dadurch standen die Bundesbürger dem „ePerso“ von Anfang an kritisch gegenüber. Viele verzichteten gänzlich auf die Aktivierung der Online-Funktion.

Weiterhin überlies man es den einzelnen Behörden und Ämtern, wie und ob sie sich die Funktionen des elektronischen Personalausweises zunutze machen – und da Veränderungen nunmal Geld kosten, geschah vielerorts erst einmal gar nichts. In Baden-Württemberg bietet beispielsweise die Zulassungsstelle Rhein-Neckar-Kreis zahlreiche Dienstleistungen mit dem neuen Personalausweis an. Andernorts läuft die Zulassung noch wie vor 40 Jahren ab. In Berlin kann man BAföG mit der Online-Ausweisfunktion beantragen, in Schleswig-Holstein Briefwahlunterlagen. Um aber herauszufinden, was man bei der örtlichen Verwaltung tatsächlich online erledigen kann, muss man sich erst durch unübersichtliche Portale klicken. Anders ausgedrückt: Jede Behörde macht, was sie will – und so verwundert es nicht, dass die Bundesbürger für einen Antrag lieber eine halbe Stunde im Amt sitzen, anstatt sich zwei Stunden über die Möglichkeiten der digitalen Verwaltung zu informieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Deutsche an einer unerklärlichen Angst vor technologischen Neuerungen leiden. Während weltweit das Mobile Payment auf dem Vormarsch ist und einige Länder sogar über die Abschaffung von Bargeld nachdenken, halten die Deutschen verbissen an ihren Münzen und Scheinen fest. Sprachassistenten wie Alexa werden als „Wanzen im Wohnzimmer“ bezeichnet und wenn man bei Google nach dem neuen Personalausweis sucht, dominieren Beiträge, in denen die Angst vor „Überwachung“ geschürt wird.

Diese „German Angst“ auf Seiten der Bürger steht der Digitalisierung der Verwaltung ebenso im Wege, wie die zögerliche Umsetzung auf Seiten der Behörden.