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Die Corona-Krise hat Schwung in die Digitalisierung gebracht. Diese Chance müssen wir jetzt für ein Thema nutzen, das uns alle angeht: den Umweltschutz. Ein Kommentar.

Die Corona-Pandemie hat das geschafft, was niemand sonst jemals zuvor in Deutschland zu tun vermochte: die Digitalisierung voranzutreiben. Es ist schon erstaunlich, wenn man sich überlegt, dass Videokonferenzen, bargeldloses Bazahlen oder kontaktloses Einkaufen schon seit über einem Jahrzehnt möglich sind, aber erst ein Virus daherkommen musste, um die Bundesbürgerinnen und -bürger davon zu überzeugen, von den Vorteilen digitaler Technologien auch endlich Gebrauch zu machen.

Bei genauerer Betrachtung stellt man schnell fest, dass sich die Digitalisierung vor allem deshalb positiv auf Klima und Umwelt auswirkt, weil durch sie tradierte Routinen aufgebrochen werden (können). In den vergangenen Monaten waren wir durch die Corona-Beschränkungen gezwungen, unser Verhalten zu ändern. Viele Menschen hatten schlichtweg keine andere Wahl, als sich mit digitalen Lösungen für analoge Probleme auseinanderzusetzen.

Die oberste Priorität von Politik und Wirtschaft sollte es nun sein, zu verhindern, dass eine Rückkehr zum Status quo stattfindet. Die Verantwortlichen müssen das Momentum nutzen, denn immerhin sahen laut einer Forsa-Umfrage Ende April auch 47 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in der Digitalisierung großes Potenzial für den Umweltschutz.

Home Office: Raus aus dem Pendlerchaos

In Deutschland sind viele Unternehmen geprägt von einer Präsenzkultur. Nur wer im Büro sitzt, arbeitet auch etwas – so die weitläufige Meinung. Dass jemand auch am Heimarbeitsplatz produktiv ist, können sich viele Geschäftsführer – trotz zahlreicher Studien, die das belegen – nicht vorstellen. Während der Corona-Krise soll manch ein Unternehmen sogar Privatdetektive engagiert haben, um zu prüfen, ob sich die Belegschaft daheim nicht die Sonne auf den Bauch scheinen lässt, anstatt zu arbeiten.

Eben aus diesem Grund gibt es auch regen Widerstand gegen das Recht auf Home Office. Dass sich der ein oder andere Tag im Home Office nicht nur positiv auf die Work-Life-Balance, sondern insbesondere auch auf die Umwelt auswirkt, wird dabei gerne ignoriert – und das obwohl die Zusammenhänge denkbar einfach sind: Wer nicht jeden Tag zwei bis drei Stunden ins Pendeln investieren muss, hat mehr Zeit für sich und seine Familie. Experten gehen zudem davon aus, dass sich der gesamte Personenverkehr um bis zu acht Prozent reduzieren ließe. Gerade in den Ballungszentren würde sich die Luftqualität deutlich verbessern. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Die digitale Geschäftsreise

„Aber beim Meeting müssen alle anwesend sein!“ ist ein beliebter Satz in Unternehmen. Teilweise reisen dann Mitarbeiter aus 400 Kilometer entfernten Niederlassungen an, um an einem einstündigen Meeting teilnehmen zu können. Andere kommen an ihrem freien Tag eben doch „rein“. Warum? „Weil man das schon immer so gemacht hat!“

Ähnlich verhält es sich mit Geschäftsreisen. Es gibt sicherlich Anlässe, die es erfordern, dass Mitarbeiter eines Unternehmens „mal eben“ von Stuttgart nach New York fliegen. In vielen Fällen wurden Geschäftsreisen bislang aber hauptsächlich deshalb unternommen, weil man es eben „schon immer so gemacht hat.“ Die Corona-Pandemie hat nun gezeigt, dass es auch anders ergeht. So gaben in einer Befragung von EY 31 Prozent der Teilnehmer an, dass sie erwarten, künftig weniger zu reisen, da interne und externe Meetings durch Videokonferenzen ersetzt werden.

Am Ende profitieren wieder alle: Mitarbeiter müssen weniger Zeit auf Reisen verbringen, Unternehmen sparen Unmengen an Reisekosten – und Luftverschmutzung nimmt durch das geringere Flugaufkommen deutlich ab.

Klimaschutz: Die Digitalisierung muss nachhaltig sein

Diejenigen, die den aktuellen Entwicklungen skeptisch gegenüberstehen, führen als Argument gerne an, dass durch die Zunahme von Videokonferenzen und Cloud-Computing auch der Energiebedarf steigen würde. Und damit haben sie grundsätzlich Recht.

Nur sollte die Schlussfolgerung daraus nicht sein, dass man lieber wieder mit dem Auto und Flugzeug umherreist, sondern dass man die Digitalisierung nachhaltig gestaltet. Bereits heute wird an klimafreundlichen Cloud-Infrastrukturen für Verwaltungen, den Bildungsbereich und Unternehmen gearbeitet. Selbiges gilt für Software-Lösungen, bei denen das Thema Energieeffizienz immer wichtiger wird.

Und nicht zu vergessen: Gerade größere Unternehmen können selbst einen erheblichen Beitrag für eine nachhaltige Digitalisierung leisten. Zum Beispiel indem sie den Strom für energieintensive Anwendungen selbst auf den Dächern ihrer Gebäude produzieren – mit Photovoltaik. Möglichkeiten gibt es viele, man muss sie nur nutzen.