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„Typisch deutsch? Ganz klar: Bei Rot über die Ampel gehen ist tabu – selbst wenn weit und breit kein Auto kommt!“

Mit einem Augenzwinkern begann der Workshop Quick’n Easy Germany – und machte gleich klar: Es geht um mehr als Klischees. Es geht darum, Deutschland und seine Kultur besser zu verstehen – besonders für Menschen, die neu hier sind. Elke Müller teilte dabei ihre Expertise und begleitete die Teilnehmenden mit viel Einfühlungsvermögen.

Unsichtbare Kultur – das Eisberg-Modell

Was wir sehen – Sprache, Kleidung, Essen – ist nur die Spitze des kulturellen Eisbergs. Darunter liegen Werte, Normen und Erwartungen, die unser Verhalten prägen – oft unbewusst. Genau hier entstehen im Alltag Missverständnisse:

  • Warum wirkt ein Deutscher auf mich unfreundlich, obwohl er nur sachlich ist?
  • Warum wird meine Offenheit als zu direkt empfunden?

Ein Beispiel: In vielen Kulturen ist es höflich, ein Kompliment zu machen („Du hast heute aber schöne Schuhe!“). In Deutschland kann das schnell als zu persönlich oder sogar unangemessen gelten – besonders im beruflichen Kontext.
Der Workshop half, solche Fragen einzuordnen und kulturelle Unterschiede besser zu verstehen.

Drei Kulturtypen nach Richard Lewis

Ein zentrales Modell im Workshop war die Einteilung nach Richard Lewis:

  • Linear-aktiv (z. B. Deutschland): strukturiert, sachlich, pünktlich, aufgabenorientiert.
    Beispiel: Ein Meeting beginnt um 9:00 Uhr – und nicht um 9:10 Uhr.
  • Multi-aktiv (z. B. Südamerika): beziehungsorientiert, spontan, emotional.
    Beispiel: Gespräche laufen parallel, Pläne ändern sich spontan – und das ist völlig normal.
  • Reaktiv (z. B. Japan): zurückhaltend, harmoniebedacht, zuhörend.
    Beispiel: Kritik wird indirekt geäußert, um niemanden bloßzustellen.

Grafik zur kulturellen Vielfalt mit den drei Kulturtypen nach Richard Lewis

Diese Unterscheidung half den Teilnehmenden, eigene Erfahrungen besser einzuordnen und kulturelle Vielfalt als Bereicherung zu sehen – nicht als Hindernis.

Zwischen Nähe und Distanz: Kommunikation

Ein wiederkehrendes Thema war die Beziehungsgestaltung. In vielen Herkunftskulturen sind persönliche Gespräche beim ersten Kennenlernen üblich – in Deutschland dagegen nicht unbedingt. Freundschaften entstehen oft langsamer, dafür aber langfristiger.
Auch die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem ist in Deutschland stark ausgeprägt.

Beispiel: Ein Kollege fragt nicht automatisch nach dem Wochenende – nicht aus Desinteresse, sondern aus Respekt vor der Privatsphäre.

Bewerben in Deutschland – strukturiert und direkt

Wer in Deutschland einen Job sucht, sollte gut vorbereitet sein – nicht nur fachlich, sondern auch kulturell. Eine gute Bewerbung ist klar strukturiert, ehrlich und vollständig. Zeugnisse und Lebenslauf werden genau gelesen.
Beispiel: Ein tabellarischer Lebenslauf mit lückenloser Chronologie ist Standard – kreative Designs sind eher unüblich.
Auch im Vorstellungsgespräch gilt: lieber sachlich als blumig. Fragen nach Schwächen oder Karriereplänen sind üblich – und keine Falle, sondern Teil der offenen Kommunikation.

Regeln, Regeln, Regeln – und die Holschuld

Ob Ruhezeiten, Mülltrennung oder Rasenmähen: In Deutschland gibt es viele Regeln. Doch das Problem ist oft nicht die Regel selbst – sondern, dass man sie nicht kennt.

Denn: In Deutschland gilt die Holschuld.
Beispiel: Wer wissen will, wann der Müll abgeholt wird, muss selbst nach dem Abfallkalender suchen – niemand wird es einem automatisch sagen.
Für viele ist das ungewohnt – und eine häufige Quelle von Frust.

Integration braucht Zeit – und Angebote

Ob über Vereine, Sport, Plattformen wie Meetup oder lokale Veranstaltungen: Wer offen bleibt und sich traut, Neues auszuprobieren, findet Anschluss.
Auch regionale Angebote wie das Welcome Center Karlsruhe oder das IQ Netzwerk helfen beim Ankommen – sei es bei Behördenfragen, Jobsuche oder der Orientierung im Alltag.

Fazit

Deutschland ist nicht nur das Land der roten Ampeln und leisen Rasenmäher – sondern auch ein Land, das mit Offenheit, Planung und Verlässlichkeit punktet. Der Workshop Quick’n Easy Germany bot dafür eine hervorragende Grundlage – praxisnah, humorvoll und mit viel Raum für Austausch.

Branchenzentriert qualifizieren

Im Rahmen des Aufrufs „Branchenzentriert qualifizieren – Zukunft sichern“ wird durch das ESF-Plus Projekt „Branchen-Quali-Digital“ die IKT-Branche in Baden-Württemberg durch branchenzentrierte Qualifizierung zukunftsfähig aufgestellt, damit sie Treiber von Innovation und gesamtwirtschaftlichem Wachstum in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen bleibt. Kofinanziert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Baden-Württemberg.