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Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant, doch der Erfolg im Unternehmensalltag hängt weit weniger von Modellen ab als von der tatsächlichen Infrastruktur. Leistungsfähige Hardware, passende Lizenzmodelle und eine realistische Beschaffungsstrategie bilden die Grundlage für produktive KI, besonders in den industriestarken Regionen Baden-Württembergs.

Warum Infrastruktur den Unterschied macht und nicht das KI-Modell

Baden-Württemberg hat das Potenzial der Künstlichen Intelligenz früh erkannt und mit Initiativen sowie zahlreichen regionalen Netzwerken, wie dem CyberForum gezielt gefördert. Die Kombination aus einer starken industriellen Basis, praxisnaher Forschung und einem innovationsgetriebenen Mittelstand schafft grundsätzlich ideale Voraussetzungen, um KI wirtschaftlich nutzbar zu machen.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass zwischen strategischem Anspruch und operativer Umsetzung große Lücke besteht. Zwar werden KI-Anwendungen in Bereichen wie Fertigungsoptimierung, Qualitätskontrolle oder Prozessautomatisierung intensiv erprobt, doch viele Vorhaben verbleiben zunächst im Pilotstadium. Die Ursachen liegen dabei weniger im fehlenden Know-how auf Modellseite als vielmehr in infrastrukturellen Rahmenbedingungen, die den Anforderungen produktiver KI-Anwendungen noch nicht vollständig gerecht werden.

Gerade im industriell geprägten Südwesten, wo Produktionsanlagen, Logistiksysteme und Sensorik kontinuierlich große Datenmengen erzeugen, hat die technische Basis maßgeblichen Einfluss auf Geschwindigkeit, Stabilität und Wirtschaftlichkeit von KI-Anwendungen. KI ist deshalb kein Plug-and-Play-Thema, sondern erfordert eine Infrastruktur, die von Beginn an auf reale Workloads, Skalierung und Betriebskosten ausgelegt ist.

Infrastruktur als Beschaffungs- und Investitionsfrage

Aus Unternehmenssicht ist KI längst nicht mehr nur ein IT- oder Innovationsprojekt, sondern zunehmend eine klassische Investitionsentscheidung. Rechenleistung, Speicher, Netzwerke und Energieversorgung müssen beschafft, finanziert, betrieben und langfristig geplant werden. An dieser Stelle wird deutlich, wie eng Infrastrukturthemen und Einkaufsentscheidungen miteinander verknüpft sind.

Die Entwicklung und das Training moderner KI-Modelle, insbesondere im Bereich Deep Learning, erfordern spezialisierte Hardware. Grafikprozessoren, tensoroptimierte Beschleuniger und leistungsfähige Serverarchitekturen beeinflussen, wie schnell Modelle produktiv eingesetzt werden können und wie wirtschaftlich ihr Betrieb gestaltet ist. Im Austausch mit Unternehmen zeigt sich, dass Fragen der Verfügbarkeit und Skalierbarkeit von Hardware zunehmend strategische Bedeutung gewinnen.

Bereits bei der Beschaffung müssen Unternehmen berücksichtigen, wie sich Modellgrößen und Datenmengen mittelfristig entwickeln könnten. Parallel dazu rücken Aspekte wie Energiebedarf, Kühlung und Platzanforderungen stärker in den Fokus, da KI-Systeme deutlich höhere Anforderungen stellen als klassische IT-Workloads.

Rechenzentren, Cloud und die Frage der Verfügbarkeit

In technologieintensiven Regionen wie Karlsruhe, die durch eine hohe Dichte an IT-Unternehmen, Forschungseinrichtungen und industriellen Anwendern geprägt sind, zeigt sich aus Sicht der Beschaffung, dass der Bedarf an spezialisierter KI-Hardware zunehmend komplexer planbar wird. GPU-basierte Systeme nehmen in immer mehr Projekten eine zentrale Rolle ein und müssen häufig früher oder umfangreicher eingeplant werden als zunächst vorgesehen. Dies kann Auswirkungen auf Infrastrukturstrategien, Investitionsentscheidungen und Projektzeitpläne haben.

Baden-Württemberg verfügt über leistungsfähige Hochleistungsrechenzentren und verfolgt seit vielen Jahren eine strukturierte High-Performance-Computing-Strategie, die inzwischen auch KI-spezifische Anforderungen berücksichtigt. Für Forschung und Wissenschaft stellen diese Kapazitäten einen wichtigen Standortfaktor dar. Gleichzeitig steigt in der Wirtschaft der Bedarf an Rechenleistung, insbesondere bei daten- und rechenintensiven Anwendungen.

Vor diesem Hintergrund greifen viele Unternehmen ergänzend auf Cloud-Infrastrukturen zurück. Diese bieten kurzfristige Flexibilität und erleichtern den Einstieg, bringen jedoch zusätzliche Fragestellungen mit sich. Dazu zählen unter anderem die langfristige Kostenentwicklung, Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern sowie Anforderungen an Datenschutz und Compliance. Aus Beschaffungs- und Planungssicht zeigt sich, dass Cloud-Nutzung sorgfältig in bestehende Infrastruktur- und Investitionskonzepte integriert werden muss, um wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.

Software, Lizenzen und Planungssicherheit

Neben der Hardware rückt die Softwarearchitektur zunehmend in den Fokus. Produktive KI erfordert ein abgestimmtes Zusammenspiel aus Frameworks, Virtualisierung, Container-Technologien und Lizenzmodellen. In der Praxis wird dieser Aspekt häufig erst dann in vollem Umfang sichtbar, wenn Anwendungen skaliert oder in den Regelbetrieb überführt werden sollen.

Dabei treten regelmäßig Herausforderungen auf, etwa durch unklare Lizenzbedingungen, Kompatibilitätsfragen zwischen Treibern und Beschleunigern oder Virtualisierungskonzepte, die nicht auf KI-Workloads ausgelegt sind. Gerade bei Open-Source-Modellen erweist sich der rechtliche und organisatorische Rahmen häufig als komplexer, als es zunächst erscheint. Planungssicherheit entsteht daher erst, wenn Software, Hardware und Betrieb gemeinsam betrachtet und langfristig aufeinander abgestimmt werden.

Edge Computing als infrastrukturelle Antwort auf industrielle Anforderungen

In vielen industriellen Anwendungen entstehen Daten direkt an der Quelle, etwa in Maschinen, Anlagen oder Produktionslinien. Eine ausschließliche Verarbeitung in zentralen Cloud-Umgebungen ist in diesen Szenarien nicht immer praktikabel. Latenzanforderungen, Netzwerkkapazitäten und Datenschutzaspekte spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Dezentrale Architekturen wie Edge Computing bieten hier einen alternativen Ansatz. Sie ermöglichen es, Daten lokal zu verarbeiten und nur ausgewählte Informationen weiterzugeben. Für Unternehmen mit mehreren Standorten kann dies zu einer stabileren und besser steuerbaren Infrastruktur beitragen. Aus wirtschaftlicher Perspektive stehen dabei vor allem planbare Betriebskosten und eine höhere Kontrolle über Datenflüsse im Vordergrund.

Daten als Engpassfaktor

So leistungsfähig eine Infrastruktur auch ausgelegt ist, ohne geeignete Daten bleibt der Nutzen von KI-Anwendungen begrenzt. Viele Betriebe verfügen zwar über umfangreiche Datenbestände, nutzen diese jedoch nicht vollständig. Häufige Gründe sind fehlende Struktur, unklare Verantwortlichkeiten oder Unsicherheiten im Umgang mit regulatorischen Anforderungen.

Insbesondere mittelständische Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Daten zunächst zu konsolidieren, aufzubereiten und in geeignete Architekturen zu überführen. Initiativen wie etwa Gaia-X oder Catena-X setzen hier an und sollen rechtssichere Rahmenbedingungen für den Datenaustausch schaffen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Investitionen in Datenarchitektur und Datenprozesse häufig einen größeren Effekt haben als zusätzliche Rechenleistung allein.

Typische Planungsfehler aus der Praxis

Aus Sicht der Infrastruktur- und Beschaffungsplanung lassen sich bei KI-Projekten wiederkehrende Muster beobachten. Dazu gehört unter anderem, dass Hardware beschafft wird, bevor die tatsächlichen Workloads klar definiert sind. Ebenso werden Energie- und Kühlanforderungen häufig erst im späteren Projektverlauf berücksichtigt, was Anpassungen im laufenden Betrieb erforderlich machen kann.

Auch die Skalierbarkeit von KI-Anwendungen wird in frühen Projektphasen mitunter unterschätzt. Viele Anwendungen entwickeln sich dynamischer als erwartet, wodurch modulare und flexible Architekturen an Bedeutung gewinnen. Hinzu kommen Lizenzierungs- und Kompatibilitätsfragen, die erst bei wachsender Nutzung relevant werden und dann die Weiterentwicklung bremsen können. Diese Herausforderungen lassen sich reduzieren, wenn Infrastruktur, Software und Einkauf frühzeitig gemeinsam geplant werden.

Fazit

Der wirtschaftliche Nutzen von Künstlicher Intelligenz entsteht nicht allein durch leistungsfähige Modelle, sondern durch eine Infrastruktur, die realistisch geplant, verlässlich beschafft und langfristig betrieben werden kann. Für Unternehmen im industriestarken Südwesten wird KI damit weniger zu einer isolierten Innovation als zu einer strukturellen Aufgabe.

Ob KI-Anwendungen den Pilotstatus verlassen oder nachhaltig in den operativen Betrieb übergehen, entscheidet sich nicht im Experiment, sondern in der Infrastruktur- und Beschaffungsstrategie. KI ist kein Plug-and-Play, die IT-Infrastruktur bildet die Grundlage für ihren Erfolg.