Wenn ich mit Menschen über künstliche Intelligenz spreche, stoße ich oft auf eine merkwürdige Reaktion: ein seltsames Unbehagen, gepaart mit einem Hauch Science-Fiction. Es scheint, als würden viele beim Wort „KI-Agent“ sofort an humanoide Roboter denken. Mit Gesichtern, Stimmen, vielleicht sogar Gefühlen. Eine Art digitaler Kollege, der sich anschickt, menschliche Jobs zu stehlen und Entscheidungen ohne Rücksprache zu treffen.
Ich halte diese Vorstellung für eine der größten Innovationsbremsen unserer Zeit. Denn je mehr wir KI vermenschlichen, desto größer wird die Angst. Und Angst, das wissen wir, ist kein guter Ratgeber für Fortschritt.
Dabei ist KI heute in ihrer Wirkung eher mit einem Werkzeugkasten zu vergleichen als mit einem Kollegen. Sie ist kein Ersatz für Menschen, sondern ein Verstärker für menschliche Entscheidungen. Ein verlässlicher Sparringspartner, der unermüdlich Daten analysiert, Muster erkennt und Vorschläge macht – ohne dabei Emotionen, Eitelkeiten oder Pausen einzufordern.
Trotzdem begegnet mir in Unternehmen immer wieder die gleiche Denkfalle: „Wenn wir das automatisieren, braucht es uns bald nicht mehr.“ Das Gegenteil ist der Fall. Wer heute KI einsetzt, schafft sich Freiräume. Für Strategie, für Kreativität, für echte Zusammenarbeit. Doch dieser Blickwinkel setzt eines voraus: Vertrauen in das System. Und das bekommt man nicht, wenn man das System vermenschlicht.
Es gibt ein Beispiel, das mir besonders am Herzen liegt: In meinem Unternehmen XPLN entwickeln wir eine AI-native Softwareplattform für Digital Shelf Analytics. Was heißt das konkret? Unsere Technologie unterstützt Handels- und Markenunternehmen dabei, ihre digitalen Vertriebsflächen auf Basis von Daten besser zu steuern. Klingt technisch? Ist es auch. Aber gleichzeitig ist es hochgradig menschlich in seiner Wirkung: Es entlastet, es hilft, es macht Komplexität beherrschbar.
Unsere KI-gestützten Workflows übernehmen keine Jobs, sie strukturieren Informationen. Sie priorisieren Aufgaben, erkennen Anomalien, zeigen Trends auf. Alles Dinge, für die sonst oft stundenlange manuelle Analysen notwendig wären. Wer schon einmal versucht hat, einen internationalen Produktlaunch auf zehn Online-Marktplätzen gleichzeitig zu begleiten, weiß, wie wertvoll jede Sekunde sein kann.
Und genau hier zeigt sich, was KI heute leisten kann – und morgen noch viel mehr leisten wird. Sie macht aus einem Überangebot an Daten nutzbare Erkenntnisse. Sie bringt Struktur in die operative Hektik. Sie ermöglicht es, schneller auf Veränderungen zu reagieren. Und sie sorgt dafür, dass Entscheidungen fundierter getroffen werden. Aber all das nur, wenn wir aufhören, sie zu personifizieren.
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Bildwelt zu überdenken. Keine Roboter mit Kulleraugen mehr, keine virtuellen Assistentinnen mit sanfter Stimme. Stattdessen: Dashboards, Workflows, Algorithmen. Klar, nicht so sexy. Aber ehrlicher. Und letztlich hilfreicher für die Debatte darüber, wie KI unseren Alltag wirklich verändert.
Je schneller wir die Angst vor dem Ersatz verlieren, desto eher erkennen wir das Potenzial für echten Fortschritt. Wer in KI nicht den Gegner sieht, sondern den Verbündeten, hat einen entscheidenden Vorteil: Er kann anfangen, die richtigen Fragen zu stellen. Nämlich nicht: „Was macht KI mit uns?“ Sondern: „Was können wir mit KI machen?“
Ich bin fest davon überzeugt: Unternehmen in Deutschland können datengetrieben erfolgreicher sein. Aber dafür braucht es keine humanoiden Fantasien, sondern eine neue Nüchternheit im Umgang mit Technologie. Einen Perspektivwechsel. Und den Mut, alte Bilder zu verwerfen. Denn die Zukunft hat längst begonnen. Wir müssen nur aufhören, sie mit menschlichen Augen zu betrachten.