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Letzte Woche stand die Hauptstadt Berlin ganz im Zeichen der re:publica. Die mittlerweile größte Konferenz für Netzpolitik und Digitalthemen feierte Ihren 10. Geburtstag und stellte mit 8.000 Teilnehmern obendrein einen neuen Besucherrekord auf. Bei so viel Netzaktivisten und Nerds kann es für Neulinge eine intensive Erfahrung werden. Im Folgenden habe ich meine Eindrücke gesammelt.

1. Erkenntnis: Der Austausch findet draußen statt

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Auf dem Affenhügel hat sich die re:publica Gemeinschaft ausgeruht, ausgetobt und aufgeladen – inklusive Spielecke für Kinder. (Bild: techtag)

Auch wenn die alten Hasen es bedauern, dass die re:publica in den letzten Jahren viel zu schnell gewachsen ist, so ist sie noch immer ein „Klassentreffen der deutschen Blogosphäre.“ Einmal im Jahr kommt die Netzgemeinde in Berlin zusammen, um sich über aktuelle und zukünftige Trends auszutauschen.

Und wie es so bei einem Klassentreffen üblich ist, verquatscht man sich gerne und schwelgt in Erinnerungen. Da kann es auch schon mal passieren, dass die eine oder andere Session für eine gute Unterhaltung ausfällt.

So war es auch bei mir. Schnell habe ich gemerkt, dass es nicht sinnvoll ist, an einem straffen Terminplan festzuhalten und von einem Saal in den nächsten zu hetzen, denn die wirklich interessanten Gespräche haben draußen stattgefunden.

2. Erkenntnis: Für eine Session ist es nie zu spät

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Greenpeace kündigte an, #ttipleaks auf der re:publica zu veröffentlichen. Leider habe ich den Vortrag verpasst. (Bild: techtag)

Verpasst man doch einmal eine Session, muss man sich keine Sorgen machen: Viele Vorträge werden mitgeschnitten und sind einige Tage später auf YouTube abrufbar. Der offizielle YouTube-Kanal der re:publica verfügt über ein Archiv bis zum Jahr 2010. So kann man sich auch ganz einfach per Mausklick die re:publica ins Wohnzimmer holen und in alten Sessions stöbern.

Die Anwesenheit der Kamera kann übrigens auch bei der Entscheidungsfindung behilflich sein. Oft konnte ich mich zwischen zwei Sessions nicht so recht entscheiden (zur selben Zeit laufen mitunter bis zu 12 Sessions) und habe dann die Session gewählt, bei der ich im Nachgang nicht mehr die Möglichkeit hatte, diese als Video anzuschauen.

3. Erkenntnis: Lieber zu früh als gar nicht

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Die Vortragssäle waren zum Teil hoffnungslos überfüllt. (Bild: techtag)

Da kommen wir auch schon zum nächsten Punkt. Die so richtig spannenden Sessions waren nicht selten überfüllt, bevor sie überhaupt begonnen haben. Mein Learning: Man sollte im Idealfall 15 Minuten vor Beginn im Raum sein, was aufgrund des Toilettengangs und der Nahrungsaufnahme jedoch des Öfteren gar nicht so einfach war.

Das musste ich- und mit mir zusammen viele andere Leidensgenossen – bei einem der spannendsten Highlights der re:publica erfahren. Die Liveübertragung mit Edward Snowden auf Stage 4 war so überfüllt, dass auch jegliche Bestechungsversuche der „Türsteher“ zwecklos waren: Im Saal tummelten sich statt der vorgesehenen 400 schon schätzungsweise 600 re:publicaner. Mehr war dann alleine schon der Brandschutzordnung wegen nicht mehr möglich.

Da fragt man sich natürlich, warum die Organisatoren so ein Highlight nicht auf der Hauptbühne haben ausstrahlen lassen. Vielleicht wollten sie Günther Oettinger, der sich ja quasi selbst zur Videokonferenz eingeladen hatte, vor unangenehmen Fragen der Zuschauer schützen ;-) Denn schon auf die wenigen Fragen, die gestellt werden durften, antwortete der EU-Kommissar einfach nicht.

4. Erkenntnis: Nichts wie weg

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Gefiel einem der Vortrag inhaltlich nicht, konnte man es sich entweder auf dem Affenhügel oder im Innenhof gemütlich machen. (Bild: techtag)

Was bei anderen Konferenzen wohl „unhöflich“ wäre, beispielsweise dauernd mit dem Smartphone zu hantieren oder in der Hälfte der Session einfach den Saal zu verlassen, gehörte bei der Digitalkonferenz einfach dazu. Oft sah man im Publikum nur wenige, die dem Vortrag konzentriert folgten. Entweder tippte man auf dem Mac rum, checkte die nächsten Sessions ab oder hörte Musik (ja, auch das gab es).

Und auch ich habe es ähnlich gemacht. Wenn mir ein Vortrag nicht gefallen hat, habe ich mich leise rausgeschlichen und die Zeit genutzt, um mein Smartphone aufzuladen oder die nächste Session rauszusuchen.

5. Erkenntnis: Ladegerät immer griffbereit haben

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Guter Tipp: Eigene Mehrfachsteckdose auf die re:publica mitnehmen. (Bild: techtag)

Bei so viel digitalen Datenverkehr ist es kein Wunder, dass alle andauernd auf der Suche nach einer freien Steckdose sind. Der Affenhügel ist zwar mit einer Unmenge von Verteilersteckdosen ausgestattet, zumeist aber voll besetzt.

Deshalb war ich ganz froh, dass ich nach dem ersten Tag meine eigene Mehrfachsteckdose mitgenommen habe und schon war das Problem mit dem Akku gelöst.

6. Erkenntnis: Twitter is not dead- zumindest nicht auf der re:publica

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Guter Empfang war Mangelware – hielt aber trotzdem niemanden davon ab, reichlich zu twittern. Auf der Twitterwall konnte man alles nachverfolgen. (Bild: techtag)

Eine Veranstaltung wie re:publica lebt ja davon, dass in den sozialen Medien über sie gesprochen wird. Twitter, Facebook (und bestimmt auch Snapchat ;-)) waren ein häufiges Sprachrohr, um die Stimmung in der Station 10 in die digitale Welt zu tragen. Dabei war der festgesetzte Hashtag #rpTEN, den alle Besucher fleißig teilten.

Auch bei mir hat sich die aktive Nutzung von Twitter in diesen drei Tagen gelohnt. Denn in den Sozialen Medien konnte man sich durch viele und lustige Tweets austauschen. Und obendrein auch Insider-Tipps einholen, welche Sessions sich zu besuchen lohnen.

Übrigens: Gerüchte besagen, es hätte auch freies und funktionsfähiges WLAN gegeben – frei war es, aber leider zu stark überlastet.

7. Erkenntnis: Size matters. Not.

Manchmal waren es eher die kleineren Sessions, die für großes Gefallen gesorgt haben. (Bild: techtag)

Gut überlegte und fest eingeplante Sessions haben sich zum Teil leider als nicht ganz so interessante Inhalte entpuppt – auch wenn die Beschreibung etwas anderes versprach.
Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass vor allem die kleinen Sessions, die neben großen Namen wie Sascha Lob oder Barbara van Schewick etwas untergegangen sind, erstaunlich spannend waren.

Dazu gehörte der Vortrag von Firas Alshater, den ich eigentlich nur besucht habe, um mir einen guten Platz für die Session danach zu sichern. Oder der Vortrag von Sara Weber über #BlackTwitter.

8. Erkenntnis: Sehen, Hören, Lesen und Verstehen

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Das Programm von Stage 1 und 2 wurde in Kooperation mit Spiegel Online an allen drei Tagen als Live-Stream übertragen. (Bild: Sascha ‚Gilly‘ Israel)

Die Panels auf der Hauptbühne wurden nicht nur simultan aus dem Deutschen ins Englische übersetzt, sondern auch live mitgetippt (je nach Session ins Deutsche oder Englische).

Zwar gab es den einen oder anderen Tippfehler, was aber bei der Schnelle der Speaker nachvollziehbar war. Dennoch war es eine angenehme Verständnishilfe, ab und zu einfach das gesprochene Wort zusätzlich auf der Leinwand nachzulesen.

Allgemein hatte ich das Gefühl, dass sich die re:publica sehr darum bemüht, eine barrierefreie Veranstaltung zu sein.

9. Erkenntnis: Wie war das noch mal mit dem Gemeinschaftsgefühl?

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Was 2007 als kleines Szenetreffen der digitalen Avantgarde startete, hat sich inzwischen zum größten Event der Netzkultur in Deutschland entwickelt. (Bild: Sascha ‚Gilly‘ Israel)

Die Veranstaltung war mit ausreichend und vielfältigem Essensangeboten ausgestattet. Von einer einfachen Bratwurst bis zu vegetarischem und veganem Essen bot die re:publica eine große Essensvielfalt an. Was wirklich gut war, da ich keine Zeit hatte, das Gelände zu verlassen.

Da man die Station 10 nur zum Schlafen gehen verließ (ich hatte das Gefühl manche taten nicht mal das) rückte man in diesen drei Tagen zu einer Art „Gemeinschaft“ zusammen. Der in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchende Begriff  „Netzgemeinde“ ergab für mich endlich Sinn.

Auch die immer wiederkehrenden Gesichter an bestimmten Ständen (ich verweise hier nur unauffällig auf den BW-Stand mit #freubier :-)) trugen dazu bei, dass man sich irgendwann vertraut vorkam.