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Wenn ein OEM eine technische Zeichnung an einen Zulieferer schickt, beginnt in vielen Betrieben noch immer Handarbeit.

PDFs werden ausgedruckt, Maße markiert, Merkmale nummeriert, Daten in Excel übertragen. Ein zeitaufwendiger Prozess, der Fehler fördert und Fachkräfte von der eigentlichen Qualitätsarbeit abhält.

CERPRO entwickelt eine KI-gestützte Software, die technische Zeichnungen automatisch ausliest, relevante Merkmale erkennt und daraus binnen Sekunden einen vollständigen Prüfplan erzeugt. So wandert Qualitätswissen aus Papierstapeln in einen digitalen, reproduzierbaren Prozess – von der Einzelteilfertigung bis zur Kleinserie.

Das Berliner Startup hat dafür jetzt eine Pre-Seed-Finanzierung von knapp 2 Mio. Euro erhalten. Hinter der Runde stehen seed + speed Ventures als Lead, D11Z. Ventures als Co-Lead sowie EIT Manufacturing und Techstars. Das Kapital fließt in die Weiterentwicklung des Produkts, in den Ausbau des Vertriebs und in die Expansion in weitere europäische Märkte.

Aus dem CyberLab zum europäischen Markt

Gegründet 2023 von Frederik Frei, Sascha Müller und Henrik Pitz, startete CERPRO mit einer klaren Beobachtung: Die Vorbereitung der Qualitätsprüfung ist in vielen Betrieben ein massiver Engpass.
„Die Vorbereitung frisst in vielen Betrieben die meiste Zeit. Unsere Kund:innen wollen messen und entscheiden – nicht abtippen“, sagt Co-Founder Henrik Pitz. „Teilweise bekommen wir noch mit Tusche geschriebene Zeichnungen. Dass dann eine hochqualifizierte Fachkraft hunderte Merkmale in Excel überträgt, ist absurd.“

Die ersten Schritte machte das Team im CyberLab in Karlsruhe, wo sie auf Startups und Expert:innen aus der Fertigungswelt trafen. Dieser thematische Fit half, die Kernprobleme früh zu schärfen. Danach folgte Techstars und ein Pivot, der CERPRO in die Qualitätssicherung führte.

Seit dem Launch im Dezember 2024 nutzen bereits über 100 Unternehmen aus Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik und Maschinenbau die Lösung. Viele berichten laut CERPRO von einer 80 % schnelleren Qualitätssicherung bei gleichzeitig deutlich sinkenden Fehlerquoten.

QualiSpec: Prüfpläne in Minuten statt Stunden

Mit QualiSpec, dem ersten Produkt des Startups, werden technische Zeichnungen automatisch erkannt, interpretiert und strukturiert. Die Software extrahiert alle relevanten Merkmale – von Maßen über Gewinde bis zu Symbolen – und erzeugt daraus digitale Prüfpläne, die sich in bestehende QS-, ERP- oder PLM-Systeme integrieren lassen.

Für viele Unternehmen ist das ein massiver Effizienzschub. Kund:innen berichten von Rückständen über mehrere Monate, die entstehen, weil Dokumentationen manuell vorbereitet werden müssen. Gleichzeitig entsteht ein großer Teil der Fertigungsprobleme gar nicht in der Produktion, sondern durch unzureichend erstellte Konstruktionszeichnungen. „Zeichnung rein, klare Prüfberichte raus, ohne Zahlendreher“, fasst Alexander Kölpin von seed + speed den Nutzen zusammen. „Damit Erstteile schon beim allerersten Anlauf bestehen und Ausschuss sowie Reklamationen sinken – obwohl Arbeitszeit gespart wird. Das ist nachhaltiges Wachstum aus Qualität.“

Von der Kontrolle zur vorausschauenden Qualität und zu einem vernetzten Qualitätsstandard

CERPRO plant, die Technologie weit über die heutige Automatisierung hinaus weiterzuentwickeln. Das KI-Modell soll künftig bereits in Design und Konstruktion Optimierungspotenziale erkennen und damit Fehler vermeiden, bevor sie entstehen. Zugleich entsteht eine Plattform, die Qualitätsdaten entlang der Lieferkette verbindet. Ziel ist ein intelligentes Netzwerk, in dem OEMs und Zulieferer gemeinsam an Qualitätsstandards arbeiten – nicht erst, wenn Teile schon produziert wurden.

CEO Frederik Frei formuliert es so: „Kaum ein Bereich in der Industrie ist so daten- und dokumentationsgetrieben wie Qualitätssicherung. Genau deshalb ist sie prädestiniert für den Einsatz von KI. Gemeinsam mit unseren neuen Partnern wollen wir unsere Technologie jetzt in die Breite bringen und zum verbindenden Qualitätsstandard zwischen OEMs und Zulieferern machen.“

Dass dieses Potenzial existiert, bestätigt auch D11Z. Ventures, Co-Lead der Runde. Managing Director Tom Villinger sagt: „CERPROs künstliche Intelligenz setzt neue Maßstäbe in der Qualitätssicherung. Die Software senkt nicht nur Kosten, sondern hebt den gesamten Prüfprozess auf ein neues Niveau. Die starke Kombination aus präziser Analyse und hervorragender Nutzerfreundlichkeit hat uns überzeugt.“

Warum der Moment günstig ist

Regulatorische Anforderungen steigen, die Nachverfolgbarkeit wird zunehmend verpflichtend und der Fachkräftemangel trifft ausgerechnet jene Bereiche, die Präzision und Dokumentation erfordern. Gleichzeitig bleibt die technische Zeichnung (meist im PDF-Format) weltweit das rechtlich bindende Dokument. Die Standardisierung der Zeichnungsformate ermöglicht CERPRO zudem eine schnelle internationale Skalierung.

„Wir haben am Anfang Fehler gemacht – erst gebaut, dann gefragt“, sagt Henrik Pitz. „Jetzt drehen wir es um: Problem zuerst, Produkt danach. Mit der Runde übernehmen wir Verantwortung für Kund:innen, Team und Investoren.“

Neue Stellen für ein wachsendes Team

Für die nächste Wachstumsphase sucht CERPRO zusätzliche Teammitglieder,  insbesondere in der Software- und KI-Entwicklung sowie Profile, die sowohl Tech als auch Fertigung verstehen.
„Wer beides verbindet, ist unglaublich wertvoll“, sagt Pitz. „Egal ob Masterand:in, PhD oder erfahrene Fachkraft – wir freuen uns über jede Bewerbung.“

Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem CyberLab Karlsruhe erstellt. Das CyberLab ist die zentrale Anlaufstelle für Startups und Gründungsinteressierte im IT-Bereich.
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