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Ein Pfälzer, der den Winzer:innen die Zettelwirtschaft austreibt. Damit keine Rebe vergessen wird. 

Von Ariane Lindemann 

Pflanzenschutz im Weinberg ist ein Wettlauf gegen unsichtbare Feinde: Mehltau, Botrytis, Schädlinge. Wer zu spät spritzt oder die falsche Fläche erwischt, riskiert den Verlust ganzer Ernten und Ärger mit den Behörden.

Philipp Bletzer von Bacchus Software kennt das Risiko. Aufgewachsen zwischen Reben in der Pfalz, hat er die Klemmbrett-Ära von Winzer:innen oft genug gesehen: handschriftliche Listen, Häkchen und den fatalen Moment, wenn ein Weinberg doppelt oder gar nicht behandelt wird.

Heute ersetzt seine Software den Papierstapel: mit Tablet am Traktor, GPS-Tracking in Echtzeit und einem klaren Einsatzplan. „Die Betriebsleitung sieht sofort, wo gearbeitet wird und was erledigt ist. Das verhindert doppelte Arbeit – oder noch schlimmer: dass ein Weinberg ganz vergessen wird“, sagt er.

Pflanzenschutz digital gedacht

Pflanzenschutzmaßnahmen sind der Einstieg für viele seiner Kund:innen. Ein Kernbereich des Weinbaus und ein Pflichtprogramm. „Es gibt Pilzkrankheiten wie Mehltau, die die Trauben ruinieren können“, erklärt Philipp. „Pflanzenschutz ist in der Regel präventiv. Wenn es erst einmal zu einer Infektion kommt, ist der Schaden bereits da.“

In der Bacchus Weinbau-Software legt die Betriebsleitung eine Kampagne an: Wer fährt, mit welcher Maschine, auf welcher Fläche? Die Fahrer:innen sehen den Plan auf ihrem Tablet, GPS zeichnet die Route auf und am Ende weiß jede:r genau, was erledigt wurde.
„Wir haben nicht einfach eine digitale To-do-Liste gebaut“, sagt Philipp. „Wenn man einen schlechten Prozess digitalisiert, hat man danach einen schlechten digitalen Prozess.“ Die Technik übernimmt die Komplexität, die Nutzer:innen sehen nur das Wesentliche.

Wurzeln in der Pfalz

Philipp kennt den Weinbau von klein auf. Aufgewachsen in Friedelsheim, half er als Jugendlicher im Weinberg seines Großvaters, eines Genossenschaftswinzers. Später studierte er Wirtschaftsinformatik in Mannheim und wunderte sich, dass viele Winzer:innen noch arbeiten wie vor 30 Jahren.

Die entscheidende Begegnung kam über einen Professor am Weincampus Neustadt: Der verwies ihn auf Kay Kühne, der am KIT eine Masterarbeit über die Optimierung der Pflanzenschutz-Koordination geschrieben hatte. Aus der Arbeit ist ein funktionierendes Tool entstanden, zunächst für ein großes Weingut in der Südpfalz, dann für drei weitere Pilotkunden. 2022 gingen die beiden offiziell an den Markt. Ein Jahr später gründeten sie eine GmbH.

Vom Familienbetrieb zum Großkunden

Heute setzen mehr als 30 Weinbaubetriebe die Bacchus-Software ein. Vor allem größere Strukturen mit viel Fläche und großen Teams. Konkurrenz gibt es, aber die Zielgruppe des Startups ist klar: „Bei großen Betrieben fallen die Effizienzgewinne besonders ins Gewicht.“

Der Markt selbst steht unter Druck: Steigende Löhne, teurere Maschinen, hohe Dieselpreise, wachsende Materialkosten. Gleichzeitig sinkt der Weinkonsum. „Die Jüngeren trinken weniger, die Älteren reduzieren oder sterben weg. Das trifft vor allem kleine Betriebe.“ Viele geben auf, größere übernehmen deren Flächen. Für Philipp bedeutet das: mehr potenzielle Kund:innen, die mit gleichem Personal mehr Fläche bewirtschaften müssen.

Zwischen Krise und Kultur

Für ihn ist Weinbau mehr als Landwirtschaft. „Es ist ein Kulturgut. Wer an die Mosel denkt, hat die Weinberge vor Augen. Viele Steillagen sind heute nicht mehr rentabel.“ Frankreich subventioniert bereits das Stilllegen von Flächen oder das Umwandeln von Wein in Industriealkohol. „Das zeigt, wie wichtig es ist, wirtschaftlich zu arbeiten.“

Vertrieb mit Gummistiefeln

Philipp sitzt viel am Schreibtisch, aber lieber ist er unterwegs. „Ich bin gerne vor Ort bei den Weingütern, schaue mir Prozesse an, und wir überlegen, wie wir sie vereinfachen können.“ Von zehn Winzer:innen, die er anruft, haben acht noch nichts digitalisiert. Überraschend: Oft sind es ältere Betriebsleiter:innen, die am schnellsten verstehen, warum sich Digitalisierung lohnt. „Die kennen die Probleme aus Erfahrung. Die Jungen haben sie oft noch nicht erlebt.“

Einfach muss es sein

Die Bedienung bleibt bewusst simpel. GPS-Tracking spart Zeit und bringt Transparenz: Welche Arbeiten kosten wie viel? Welcher Weinberg rechnet sich und welcher nicht? „Früher konnte man jedes Jahr die Preise erhöhen. Jetzt nicht mehr. Wer nicht weiß, wo er Geld verdient und wo er es verliert, hat ein Problem.“

Netzwerk matters

Der Weg führte auch durchs CyberLab Accelerator-Programm in Karlsruhe. „Das Netzwerken war Gold wert. Wir sind CyberForum-Mitglied geworden, haben Mentoren gefunden, mit denen wir bis heute im Austausch stehen.“

Der Blick geht längst über Deutschland hinaus. In Ländern mit großen Flächen und ähnlichen Herausforderungen sieht Philipp viel Potenzial. „Deutschland ist eine gute Basis – aber nicht das Ende der Reise.“


Dieser Artikel wurde in Kooperation mit dem CyberLab Karlsruhe erstellt. Das CyberLab ist die zentrale Anlaufstelle für Startups und Gründungsinteressierte im IT-Bereich.
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