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Im Gründerview stellen wir in regelmäßigen Abständen spannende Startups vor. Heute an der Reihe: IOWIS, ein junges Tech-Startup aus Sinsheim, das mit Airene eine lokal betriebene KI-Lösung für Unternehmen entwickelt. Airene bringt moderne Sprachmodelle in die eigene Infrastruktur und ermöglicht es, interne Daten zu nutzen, ohne sie an externe Cloud-Anbieter zu übermitteln.

Im Interview sprechen wir mit IOWIS-Co-Founder Luca Perozzi und stellen ihm die bekannten zehn Gründerview-Fragen.

Euer Startup in einem Tweet?

IOWIS hilft Unternehmen, KI produktiv einzusetzen, ohne Abstriche bei Compliance und Datensicherheit: Unser Produkt Airene läuft offline als On-Premise-KI im eigenen Netzwerk und hilft dabei, sensible Daten weit über gesetzliche Mindestanforderungen hinaus zu schützen.

Wie ist eure Geschäftsidee entstanden; was war der initiale Funke?

Die Idee ist aus unserem eigenen Arbeitsalltag heraus entstanden. Wir haben gemerkt, dass KI für viele noch etwas Abstraktes war, auf der einen Seite viel Begeisterung, auf der anderen Seite Unsicherheit und Angst. Gleichzeitig haben wir gesehen, wie leichtfertig teils vertrauliche Unternehmensdaten in Cloud-Dienste gegeben wurden, obwohl sich Meldungen über Datenlecks bei großen wie kleineren Anbietern immer mehr häufen.

Wir sind im Umgang mit Daten sehr sorgfältig, beruflich wie privat, und hatten zunehmend das Gefühl: Hier entsteht ein reales Risiko für Unternehmen. Ein einziges Leak kann vertrauliche Strategien, Kundendaten oder interne Prozesse offenlegen, mit finanziellen Schäden, Reputationsverlust und rechtlichen Folgen. Daraus ist der Wunsch entstanden, eine Lösung zu entwickeln, mit der Unternehmen moderne KI nutzen können, ohne ihre sensiblen Informationen aus der Hand zu geben.

Wie groß ist euer Team, wer gehört dazu und wie habt ihr euch gefunden?

Wir sind aktuell zu viert: Davide und ich sind Brüder. Dazu kommen Peter und Bozidar, beide langjährige Freunde von Davide.

Gefunden haben wir uns weniger über eine große Gründungsvision, sondern eher über viele Gespräche nebenbei. Dabei wurde klar, dass wir alle ähnlich kritisch auf den heutigen Umgang mit Daten und den schnellen Einsatz von Cloud-KI schauen. Aus diesem gemeinsamen Blick auf das Thema ist nach und nach der Entschluss gereift, zusammen ein eigenes Produkt zu entwickeln.

Wer profitiert von eurer Idee und warum?

Von unserer Idee profitieren vor allem Unternehmen, die einerseits ihre rechtlichen Verpflichtungen ernst nehmen und andererseits vermeiden wollen, dass sensible Daten unkontrolliert auf fremden Servern landen. Besonders dort, wo Geschäftsgeheimnisse, Kundendaten oder interne Strategien eine zentrale Rolle spielen, kann ein einzelnes Leak schnell zu einem erheblichen Schaden führen.

Typischerweise sind das mittelständische und größere Organisationen in regulierten oder wissensintensiven Bereichen, etwa Industrie, Finanz- und Gesundheitswesen oder öffentliche Hand. Innerhalb dieser Unternehmen unterstützt Airene vor allem IT-Abteilungen, Datenschutzbeauftragte und fachliche Teams, die KI im Alltag nutzen möchten, ohne dabei an jedem Schritt die Sicherheit ihrer Daten infrage stellen zu müssen.

Wie sieht euer Arbeitsalltag aus – gibt es überhaupt schon so etwas wie einen „Alltag“?

Im Moment arbeiten wir alle noch Teilzeit an IOWIS und Airene, mit dem klaren Ziel, so schnell wie möglich vollständig umzusteigen. Einen festen Alltag gibt es deshalb noch nicht. In den letzten rund zwölf Monaten haben wir immer dann weitergebaut, wenn es unsere anderen Verpflichtungen zugelassen haben.

Das Herzstück waren bisher unsere eigenen Hackathons: Wir haben uns mehrmals eine abgelegene Ferienhütte gemietet und dort ein Wochenende oder eine ganze Woche durchgehend an Produkt, Architektur und Prototypen gearbeitet. Dazwischen läuft vieles abends oder zwischendurch remote. Es ist eher ein Wechsel aus intensiven Sprints und ruhigeren Phasen als ein klassischer Gründeralltag.

Weshalb habt ihr euch für einen Accelerator wie das CyberLab entschieden?

Wir haben uns für das CyberLab entschieden, weil es quasi vor unserer Haustür liegt. Wir wohnen alle in der Region Karlsruhe, sind hier vernetzt und kannten das CyberLab schon, bevor aus unseren Gesprächen überhaupt eine konkrete Gründungsidee wurde.

Als wir uns intensiver mit dem Programm beschäftigt haben, hat es gut zu unserer Situation gepasst: frühe Phase, B2B, technisch geprägtes Team. Uns war wichtig, einen klaren Rahmen, ehrliches Feedback und Austausch mit anderen Teams zu bekommen. Davon konnten wir bisher schon viel mitnehmen.

Welches Startup hat euch am meisten begeistert oder inspiriert?

Am meisten inspirieren uns Firmen, die Vertraulichkeit und Datenkontrolle nicht nur als Schlagwörter in Marketing und Produktversprechen verwenden, sondern sie wirklich in allem, was sie tun, durchziehen. Wir sehen leider oft, dass sich Startups und etablierte Unternehmen, gerade im KI-Bereich, mit „DSGVO-konform“ schmücken, weil sie möglichst schnell etwas auf den Markt bringen wollen, aber ein Blick in die Datenschutzerklärung oder auf eingesetzte Tracker zeigt, dass das eher Augenwischerei ist als echter Schutz sensibler Informationen.

Positiv hervor stechen für uns mailbox.org und Threema. Auch wenn das keine klassischen Early-Stage-Startups mehr sind, verkörpern sie genau das, was wir uns wünschen: Ihre Produkte sind konsequent auf minimale Datenerhebung und Kontrolle durch die Nutzer ausgelegt, und sie treffen geschäftliche Entscheidungen, die diese Linie stützen, auch wenn das bedeutet, auf bequemes, datengetriebenes Marketing oder bestimmte Wettbewerbsvorteile zu verzichten. Beide setzen sich zudem sichtbar dafür ein, digitale Kommunikation grundlegend datensparsam und souverän zu gestalten, und zeigen damit, dass dieser Anspruch nicht bei der Produktentwicklung endet. An dieser Haltung orientieren wir uns auch bei IOWIS und Airene.

Was ist der nächste große Schritt?

Der nächste große Schritt ist für uns, Airene in den ersten Pilotprojekten weiter im Alltag zu erproben und daran gezielt weiterzuentwickeln. Aktuell setzen wir das System bereits gemeinsam mit ausgewählten Unternehmen ein und testen, wie gut unsere Annahmen in ihren konkreten Umgebungen tragen.

Dabei geht es weniger um große Showcases, sondern darum, sehr genau zu verstehen, welche Anforderungen in der Praxis wirklich zählen, wo wir nachschärfen müssen und welche Funktionen den größten Unterschied machen. Aus dieser Phase wollen wir mit einer Version von Airene herausgehen, die in unterschiedlichen Organisationen verlässlich läuft und ihren Teams spürbar Arbeit abnimmt.

Über welche Stolpersteine musstet ihr während der Gründung steigen?

Wir sind wahrscheinlich über fast jeden klassischen Stolperstein einmal gestolpert, den man sich als junges Unternehmen vorstellen kann. Vieles lief neben anderen Jobs, Abstimmungen sind zwischendurch versandet und nicht jede technische Idee hat den Realitätstest überlebt. Rückblickend war unsere größte Schwäche, dass wir sehr lange an Architektur und Sicherheitskonzept gefeilt haben, bevor wir wirklich mit den Menschen gearbeitet haben, die Airene später im Alltag nutzen sollen.

Das hatte zwar den Vorteil, dass Airene von Anfang an sehr konsequent auf Datensouveränität und Kontrolle ausgelegt ist, aber wir hätten uns dieses Fundament früher mit mehr praktischem Feedback absichern können.

Sehr geholfen hat uns dabei der Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern sowie den Mentoren im CyberLab. Dort gab es viel, teils sehr direktes Feedback, das uns aus der eigenen Perspektive herausgeholt hat. Heute achten wir viel stärker darauf, beides zusammenzudenken: technische Sorgfalt und Datenschutz auf der einen Seite, echte Nutzungsrealität und Rückmeldungen aus Projekten auf der anderen.

Habt ihr einen Rat oder Tipp an andere Gründer:innen?

Unser wichtigster Rat: Geht früh in den Austausch. Sprecht mit anderen Gründerinnen und Gründern, lasst euch Erfahrungen erzählen und holt euch ehrliches Feedback. Gerade am Anfang fehlen oft Vergleichswerte, die andere schon haben. Ein Accelerator wie das CyberLab kann in fast jeder Gründungsphase sinnvoll sein, weil man dort in kurzer Zeit viel Einblick in andere Perspektiven und Fehler bekommt, ohne sie alle selbst machen zu müssen.

Genauso wichtig finden wir aber: Bleibt eurer eigenen Vorstellung treu. Feedback ist wertvoll, aber es ist kein Pflichtenheft. Uns wurde zum Beispiel oft geraten, erstmal gar nicht weiter am Produkt zu arbeiten, sondern fast ausschließlich mit potenziellen Kunden zu sprechen und den Großteil des Produkts erst später aus diesen Gesprächen heraus zu entwickeln. Das hat für uns nicht gepasst, weil wir nicht einfach irgendein „Startup-KI-Produkt“ an den Markt bringen wollen, sondern eine relativ klare Vision davon haben, welche Art von Lösung wir anbieten wollen und welches technische Fundament wir für Sicherheit und Datenkontrolle brauchen. Gleichzeitig bringt es auch nichts, alles im stillen Kämmerlein fertig bauen zu wollen. Am Ende ist es ein Mittelweg: zuhören, Fragen stellen, Kritik ernst nehmen, aber bewusst entscheiden, was davon zur eigenen Vision passt und was nicht.

Ob das der perfekte Weg ist, wissen wir natürlich nicht, aber es ist der Weg, den wir mit uns selbst vereinbaren können, und wir werden in einiger Zeit sehen, wohin er führt.