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Hast du dich schon mal beworben und nie eine Antwort erhalten? Dann bist du nicht allein: 51 % der Bewerber:innen haben bereits erlebt, dass Unternehmen sich gar nicht mehr melden. Doch auch 18 % der Bewerbenden ignorieren ihrerseits Arbeitgeber. Warum? Weil die Candidate Journey oft frustrierend und unpersönlich ist.

Sarah Böning, Recruiting-Beraterin, teilte diese und weitere spannende Tatsachen im Modul 1 der Workshop-Reihe „Next Level HR – Candidate Journey: Strategisches Recruiting und Personalentwicklung 2025“. Sie reflektierte mit den Teilnehmenden über den Bewerbungsprozess der Zukunft und deckte zahlreiche Schwachstellen auf.

Viele Unternehmen investieren immense Ressourcen in Recruiting, doch die Bewerberzahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Woran liegt das? Besonders überraschend: Selbst bekannte Unternehmen scheitern oft an grundlegender Kommunikation.

Ein Experiment von Böning selbst zeigte dies eindrucksvoll: Sie bewarb sich strategisch auf 30 Stellen – darunter Positionen als Head of Recruiting. Das Ergebnis? Nur zwei Unternehmen riefen sie persönlich an. Der Rest antwortete entweder schriftlich oder gar nicht. Diese mangelnde kommunikative Wertschätzung schreckt Talente ab und verschlechtert die Candidate Experience erheblich.

Die größten Herausforderungen im Recruiting-Prozess 

  • Unklare oder unattraktive Stellenanzeigen – Bewerbende entscheiden in Sekunden, ob sie weiterlesen.
  • Standardisierte und unpersönliche Reaktionen auf Bewerbungen – Ghosting ist ein riesiges Problem: 51 % der Bewerbenden haben es erlebt, aber auch 18 % ignorieren selbst Arbeitgeber (Daten von Trendence 2024).
  • Fehlende Transparenz über Gehalt und Arbeitsbedingungen – Viele Bewerbende verzichten auf eine Bewerbung, wenn keine Gehaltsangaben vorhanden sind.
  • Zu langsame Rückmeldungen – In einem hart umkämpften Markt müssen Unternehmen schnell und direkt auf Bewerbende reagieren.

Wie Recruiting sich am Marketing orientieren muss 

Gute Recruiting-Strategien folgen den Prinzipien des modernen Marketings: Sichtbarkeit, ansprechender Content und eine positive Erfahrung für die „Kundschaft“, also den Bewerbenden. Besonders wichtig sind:

  • Schnelle, wertschätzende Kommunikation – Bewerbende erwarten heutzutage eine direkte und transparente Interaktion.
  • Gehaltsangaben in Stellenanzeigen – Erhöhen die Anzahl der Bewerbungen signifikant.
  • Flexibilität und klare Arbeitszeitmodelle – Anzugeben, was „Hybrid Work“ bedeutet (z. B. 3 Tage HomeOffice, 2 Tage Büro), verbessert das Verständnis und die Attraktivität der Stelle.
  • Zielgruppengerechte Sprache – Die passende Ansprache ist entscheidend für eine erfolgreiche Kommunikation. Während die „Du-Kultur“ zunehmend an Bedeutung gewinnt, variiert sie je nach Berufsbranche. Besonders wichtig dabei: Konsistenz in der gewählten Form.

Recruiting-Trends 2025: Was Unternehmen jetzt tun sollten 

  • Künstliche Intelligenz & Automatisierung – KI-gestützte Tools helfen, den Bewerbungsprozess effizienter zu gestalten.
  • Employer Branding & Candidate Experience – Unternehmen müssen sich authentisch als attraktive Arbeitgeber präsentieren.
  • Hybrid- & Remote-Recruiting – Virtuelle Bewerbungsgespräche und digitale Einstellungsverfahren sind inzwischen Standard.
  • Skill-basierte Einstellung statt klassischer Abschlüsse – Fähigkeiten zählen mehr als formale Qualifikationen.
  • Active Sourcing & Social Recruiting – Recruiting-Teams müssen Kandidat:innen proaktiv über LinkedIn, Xing & Co. ansprechen.
  • Diversität, Gleichberechtigung & Inklusion (DEI) – Bias-freie Prozesse und inklusives Wording werden essenziell.
  • Datengetriebenes Recruiting & People Analytics – Messwerte wie Time-to-Hire und Cost-per-Hire helfen, Prozesse zu optimieren.
  • Flexibilität & neue Arbeitsmodelle – Kandidat:innen erwarten klare Regelungen für Homeoffice und Arbeitszeitmodelle.

Zukunftsweisende Innovationen im Recruiting 

  • Virtual Reality (VR) für Recruiting-Erlebnisse – Bewerbende können über VR-Technologien interaktiv ins Unternehmen eintauchen.
  • Gamification & Serious Gaming – Recruiting durch spielerische Elemente spannender und interaktiver gestalten.
  • Genderneutrale und inklusive Stellenausschreibungen – Frauen bewerben sich oft nur, wenn sie 100 % der Anforderungen erfüllen. Eine gezielte Ansprache fördert mehr Diversität.
  • Audio- & Podcast-Formate für Recruiting – Authentische Einblicke durch Stimmen von Mitarbeitenden.
  • Personalisierte Bewerberkommunikation – Automatisierung darf nicht zu Standardfloskeln führen, sondern sollte individuell angepasst sein.

Anforderungsanalyse im Recruiting 

Die Anforderungsanalyse, entwickelt von Sarah Böning, ist ein essenzieller Bestandteil des Recruiting-Prozesses. Sie hilft Unternehmen, die genauen Anforderungen und Kompetenzen für eine offene Position präzise zu definieren. Warum ist das so wichtig? Eine gründliche Anforderungsanalyse stellt sicher, dass die richtigen Talente angesprochen werden und vermeidet unnötige Hürden im Bewerbungsprozess. Durch klare, transparente und realistische Anforderungen können Unternehmen nicht nur die Qualität der Bewerbungen verbessern, sondern auch die Vielfalt im Team fördern und langfristig erfolgreichere Einstellungen vornehmen.

Wichtige Kompetenzen:

  • Fachliche Kompetenzen: Notwendige Hard Skills für die Position.
  • Soziale Kompetenzen: Erfolgsentscheidende Soft Skills.
  • Vermeidung überzogener Anforderungen: Keine „eierlegenden Wollmilchsäue“ suchen, um den Talentpool nicht unnötig einzuschränken. 

Fokus auf Diversität:

  • Nicht nur nach Ähnlichkeit zu bestehenden Teammitgliedern suchen.
  • Frauen und andere diverse Talente gezielt ansprechen. 

Strukturierte Analyse der Rolle:

  • Rahmenbedingungen: Arbeitsort, Arbeitszeitmodell, notwendige Qualifikationen.
  • Kernaufgaben: Was muss in den ersten Wochen erreicht werden? Woran wird der Erfolg gemessen?

Gezielte Fragen zur Teamanalyse:

  • Teamstruktur und Arbeitsweise verstehen.
  • Attraktivität des Teams für neue Mitglieder herausstellen.
  • Identifikation von Lücken im Team, die eine neue Person füllen kann.

Critical Incident Technique (CIT):

  • Schlüsselsituationen identifizieren, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
  • Analyse der erforderlichen Kompetenzen und Verhaltensweisen in diesen Situationen.

Ergebnisaufbereitung:

  • Ableitung von „sexy Points“, die die Position attraktiv machen.
  • Erstellung ansprechender Stellenanzeigen.
  • Kommunikation der Anforderungen an Headhunter oder das Recruiting-Team.

Fazit: Unternehmen müssen Recruiting neu denken

Die Candidate Journey entscheidet über den Erfolg der Personalgewinnung. Wer Top-Talente gewinnen möchte, muss auf Transparenz, schnelle Kommunikation und zielgerichtete Prozesse setzen. Gehalt, Arbeitszeitmodelle und Unternehmenskultur sollten frühzeitig klar definiert sein. Recruiting 2025 bedeutet: Smarte Technologien nutzen, aktiv auf Kandidat:innen zugehen und vor allem eine menschliche, wertschätzende Kommunikation sicherstellen. Denn am Ende gilt: Wer die besten Talente will, muss sich selbst als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

 

Branchenzentriert qualifizieren

Im Rahmen des Aufrufs „Branchenzentriert qualifizieren – Zukunft sichern“ wird durch das ESF-Plus Projekt „Branchen-Quali-Digital“ die IKT-Branche in Baden-Württemberg durch branchenzentrierte Qualifizierung zukunftsfähig aufgestellt, damit sie Treiber von Innovation und gesamtwirtschaftlichem Wachstum in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen bleibt.

Kofinanziert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Baden-Württemberg.