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Jan Ludwig ist Gründer von tlou.ai. Das Startup hat mit tlou eine End-to-End-Lösung für ganzheitliches Bewerbenden-Screening entwickelt – speziell für KMU, aber nahtlos integrierbar in bestehende Recruiting-Prozesse. Mit ihrer Technologie ermöglichen sie es den Prozess für Bewerbungs-Screenings erstmalig frei von Vorurteilen und vollständig automatisiert abzubilden, ohne endlose Entwicklungsprofile oder aufwändige Softwareimplementierung.

Am 18. November 2025 veranstaltet Jan, gemeinsam mit weiteren Mit-Veranstalter:innen und Organisator:innen, den ersten „HR & AI Day“ im AI xpress in Böblingen. Der HR & AI Day wird dieses Jahr vom CyberForum e. V. und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH im Rahmen des Kooperationsprojektes „Branchenzentriert qualifizieren“ unterstützt. Im Interview mit Dr. Sarah Schuhbauer spricht er über die Chancen aber auch notwendigen Regeln, die der Einsatz von KI im Recruiting mit sich bringt.

Wie kann man sicherstellen, dass automatisierte Tools nicht nur effizient sind, sondern auch die Candidate Experience gut bleibt? Welche Elemente sind dabei entscheidend?

Das Wichtigste ist, dass automatisierte Tools beiden Seiten gerecht werden: Unternehmen brauchen einfache, intuitive Anwendungen mit echtem Mehrwert – etwa durch Zeitersparnis und Qualitätssteigerung. Für Bewerbende bedeutet eine gute Candidate Experience, dass Prozesse schlank bleiben: keine Doppeleingaben, keine unnötigen Hürden. KI ermöglicht zudem direkten Nutzen – etwa sofortiges Feedback, transparente Informationen zum weiteren Ablauf – statt einer Bewerbung, die in einer Blackbox verschwindet.

Wird ein Auswahlverfahren durch KI nicht auch irgendwie unpersönlicher?

Im Gegenteil: KI-gestützte Auswahlverfahren eröffnen neue Chancen. Zum einen reduzieren wir unbewusste Vorurteile, indem die KI ausschließlich relevante, anonymisierte Daten berücksichtigt. Zum anderen zeigen Studien, dass Bewerbende sich in KI-gestützten Prozessen oft wohler fühlen, da sie weniger Angst vor Diskriminierung haben. So schaffen wir mehr Inklusion und machen den Erstkontakt zwischen Unternehmen und Talenten persönlicher und fairer.

Aber auch eine KI ist ja durch die Bias geprägt, die in den der KI zur Verfügung stehenden Daten und Informationen enthalten sind. Wie kann dem entgegengesteuert werden?

Natürlich tragen Datensätze Bias in sich. Entscheidend ist deshalb, dass wir als Softwarehersteller Sicherheitsmechanismen einbauen: Wir zerlegen Lebensläufe in strukturierte Datenpunkte und gleichen diese mit den Anforderungen der Stelle ab – ohne personenbezogene Daten einzubeziehen. So verhindern wir, dass Vorurteile einfließen. Ebenso wichtig: Transparenz gegenüber Bewerbenden. Sie müssen verstehen, wie Entscheidungen zustande kommen.

Welche Herausforderungen siehst du in der Skalierung automatisierter Recruiting-Lösungen – sowohl technisch als auch organisational und hinsichtlich Gesetzgebung / Datenschutz?

Die größte Herausforderung sehe ich derzeit in der Zurückhaltung vieler HR-Abteilungen. Vertrauen in Technologie muss wachsen. Gleichzeitig gilt es, höchste Datenschutzstandards einzuhalten – insbesondere unter dem EU AI Act, der HR-Systeme als Hochrisiko-Kategorie einstuft. Für uns als europäische Startups liegt hier aber auch eine enorme Chance: Wir können aktiv gestalten und zeigen, wie sichere, ethische und praxisnahe Anwendungen aussehen.

Wie definierst du „faire Automatisierung“ im Recruiting – was ist für dich fair, und wo können automatisierte Systeme ethisch problematisch werden?

Fairness ist individuell geprägt. Deshalb darf ‚Fair‘ nicht einfach aus der persönlichen Erfahrung der Softwareentwickler:innen abgeleitet werden. KI sollte vielmehr helfen, rationale, datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Ethisch problematisch wird es dort, wo persönliche Erfahrungen ungefiltert in Systeme einfließen. Unsere Verantwortung als Unternehmer:innen ist es, systemische Bias zu vermeiden.

Aus deiner Sicht: Welche menschlichen Fähigkeiten werden im Bewerbungs- und Auswahlprozess besonders wichtig bleiben, auch wenn viele Schritte automatisiert sind? Gibt es Phasen im Prozess, die menschlicher sind, andere, die sich gut automatisieren lassen?

Viele Prozesse lassen sich effizient automatisieren – etwa die Vorqualifizierung von Bewerbungen oder administrative Abläufe. Aber: Entscheidungen trifft am Ende immer der Mensch. KI gibt Empfehlungen und schafft Transparenz, doch echte Begegnungen, tiefgehende Gespräche und das Erleben von Persönlichkeit bleiben unersetzbar. Gerade darin liegt die Chance: KI verschafft uns die Zeit und Informationen, um Gespräche auf einem ganz neuen Niveau zu führen.

Wie verändert sich die Rolle von HR-Fachleuten durch KI-gestützte Tools? Worauf müssen sie sich einstellen, was sollten sie lernen?

HR wird sich durch KI-gestützte Tools grundlegend verändern. Weg von manuellen Routinen, hin zu einer datengetriebenen People-Funktion. Das heißt: HR muss lernen, Daten sinnvoll zu erheben, zu interpretieren und in Entscheidungen umzusetzen. Wer diese Kompetenz aufbaut, stärkt nicht nur HR, sondern die gesamte Organisation.

HR und KI: Rolle der HR-Fachleute, Was sich verändert und was jetzt wichtig ist

Was würdest du Unternehmen raten, die gerade überlegen, KI ins Recruiting einzuführen, aber unsicher sind – wo sollen sie anfangen?

Mein Rat: Startet dort, wo ihr heute am meisten manuelle Arbeit habt – sei es bei der Erstellung von Stellenanzeigen, der Kanalwahl oder der Vorqualifizierung. Auch Unternehmen ohne eigene HR-Abteilung können mit KI einen professionellen Recruiting-Prozess aufbauen. Ebenso können Firmen mit hohem Bewerbungsaufkommen sicherstellen, dass kein Talent übersehen wird – durch automatisierte Screening-Interviews oder transparente Rückmeldungen. KI kann so nicht nur Effizienz schaffen, sondern auch Employer Branding stärken.

Du veranstaltest im November 2025, gemeinsam mit einigen Partner:innen, den HR & AI Day im AIxpress in Böblingen. Wie ist diese Idee entstanden und was erwartet die Teilnehmenden beim HR & AI Day?

Die Idee entstand während unserer Zeit im AI xpress Accelerator. Wir wollten den Mittelstand nicht mit offenen Fragen zurücklassen, sondern zeigen, wie KI schon heute sicher und sinnvoll in HR eingesetzt werden kann. Beim HR & AI Day erwartet die Teilnehmenden ein vielfältiges Programm mit Keynotes, Workshops und Praxisbeispielen: von Recruiting bis Leadership, von Coaching bis Transformation. Mit dabei sind innovative Startups, erfahrene Expert:innen und starke Netzwerkpartner. Den Abschluss bildet unser Format Gin & Transformation – ein inspirierender Ausklang mit Raum für Austausch, Vernetzung und neue Ideen.

Branchenzentriert qualifizieren

Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH ist Mitveranstalterin des „HR & AI Day“, der am 18. November 2025 im AI xpress in Böblingen stattfindet. Der HR & AI Day bringt Startups, Mittelstand und Konzerne zusammen – mit Top-Speakern, erfahrenen Expert*innen, starken Partner*innen und zukunftsweisenden Lösungen. Ob du gerade erst beginnst, dich mit KI in HR zu beschäftigen oder bereits mittendrin bist – dieser Tag liefert dir neue Perspektiven, konkrete Antworten und starke Impulse.

Die Veranstaltung wird durch „Branchenzentriert qualifizieren“ unterstützt, einem durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) Plus geförderten und vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg kofinanzierten Kooperationsprojekt der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH und des CyberForum e.V.

Im Rahmen des Aufrufs „Branchenzentriert qualifizieren – Zukunft sichern“ wird durch das ESF-Plus Projekt „Branchen-Quali-Digital“ die IKT Branche in Baden-Württemberg durch branchenzentrierte Qualifizierung zukunftsfähig aufgestellt, damit sie Treiber von Innovation und gesamtwirtschaftlichem Wachstum in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen bleibt.