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Bundesarbeitsminister Heil möchte ein Recht aufs Home Office etablieren. Die Reaktionen auf seinen Vorstoß zeigen, dass kein Weg an einer gesetzlichen Regelung vorbeiführt. Ein Kommentar.

Anfang Oktober hat Bundesarbeitsminister Heil das „Mobile Arbeit Gesetz“ vorgelegt. Es sieht unter anderem vor, dass Arbeitnehmer künftig einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Home Office im Jahr haben. Eigentlich sollte man meinen, dass so ein Gesetz im Jahr 2020 überhaupt nicht mehr notwendig ist, da spätestens seit der Corona-Pandemie jedem die Vorteile eines Arbeitsplatzes im Home Office bekannt sein sollten.

Doch weit gefehlt. Die öffentlichen Reaktionen auf den Vorschlag von Hubertus Heil zeigen mehr als deutlich, dass sich in Deutschland ohne gesetzlichen Rahmen kaum etwas ändern wird.

Produktivität und Zufriedenheit der Arbeitnehmer steigt im Home Office

Es gibt inzwischen unzählige Studien, die belegen, dass viele Arbeitnehmer im Home Office produktiver sind, als im Büro. Das hat vielerlei Gründe.

Zum Beispiel, dass sie sich den täglichen Pendler-Stress sparen. Denn egal, ob im Stau auf der Autobahn oder im überfüllten Zug, Pendeln ist für viele Arbeitnehmer verschenkte Lebenszeit und mit einem enormen Stress verbunden. Wer dagegen im Home Office arbeitet, hat jeden Tag ein bis zwei Stunden mehr Zeit für die Familie. Oder für sich selbst. Das sorgt für mehr Zufriedenheit, steigert die Produktivität – und ganz nebenbei tut man auch der Umwelt noch etwas Gutes.

Zudem steht nicht jedem Arbeitnehmer im Büro ein schicker Arbeitsplatz mit höhenverstellbarem Schreibtisch, iMac und Blick über die Dächer der Stadt zur Verfügung, wie uns die Stock-Bilder dieser Welt glauben machen wollen. Die Realität sind oft völlig anders aus. Da sitzen dann 30 Leute eng auf eng in einem Großraumbüro und versuchen verzweifelt zu arbeiten, während dieser eine Mitarbeiter wieder so laut telefoniert, dass man jedes einzelne Wort versteht. An produktives Arbeiten ist in diesem Umfeld oft gar nicht zu denken.

Kein Wunder also, dass alle möglichen Umfragen dieser Tage zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Mehrheit der Arbeitnehmer wünscht, auch nach Corona die Option auf Home Office zu haben.

Wichtig dabei: Im Mittelpunkt steht der Wunsch nach Flexibilität. Denn kaum ein Arbeitnehmer möchte ausschließlich von zuhause aus arbeiten. Vielmehr geht es darum, bei Bedarf ein bis zwei Home Office-Tage pro Woche einlegen zu können.

Der Kampf ums Home Office ist entbrannt

Trotz all der offensichtlichen Vorteile für Mensch, Umwelt und Wirtschaft wird nun Front gegen das Home Office gemacht:

  • Arbeitgeber sehen darin einen „Eingriff in die Unternehmerfreiheit“, insbesondere diejenigen, die noch in Denkmustern des 19. Jahrhunderts verharren und deren Chefs auf das Präsenzprinzip bestehen.
  • Gewerkschaften sorgen sich um das Einhalten von Arbeitszeiten und Pausen.
  • Datenschützer sorgen sich um den Datenschutz.
  • Arbeitnehmer, die in Branchen arbeiten, in denen kein Home Office möglich ist, fühlen sich unfair behandelt.
  • Andere Arbeitnehmer erwarten von ihrem Arbeitgeber, dass er ihnen daheim am besten gleich ein ganzes Büro samt Ausstattung bezahlt.

Die Diskussion erscheint stellenweise geradezu grotesk – und geht völlig am eigentlichen Thema vorbei. Zusätzlich angefeuert wird sie von Medien, die das Home Office (bewusst) als „Urlaub“ darstellen und den Arbeitnehmer mit einem Glas Rotwein auf dem Balkon zeigen, wie er die Füße hochlegt.

Andererseits macht sie deutlich, dass sich ohne gesetzliche Regelungen in Deutschland nur wenig verändern wird. Denn bis auf die Arbeitnehmer sind nahezu alle Beteiligten bestrebt, den Status quo aufrechtzuerhalten, anstatt sich mit zeitgemäßen Lösungen zu beschäftigen. Dafür ist man sich für kein noch so hanebüchenes Argument zu schade.

Hubertus Heil hat das erkannt. Bleibt zu hoffen, dass ihm andere folgen werden.