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Die Digitalisierung hat unser Reiseverhalten verändert. Dank Internet und Smartphone müssen wir uns in fernen Ländern um weitaus weniger Dinge Gedanken machen, als noch vor 20 Jahren. Aber das Reisen im App-Zeitalter hat nicht nur Vorteile.

Als ich klein war und noch mit meinen Großeltern in den Urlaub gefahren bin, begann immer alles im Reisebüro unseres Vertrauens. Dort haben wir uns Hotelempfehlungen geholt und uns Tipps für Ausflüge am Zielort geben lassen. Was die Frau hinter dem Schreibtisch sagte, hatte Gewicht. Die Möglichkeit, mal eben die Bewertungen eines Hotels bei TripAdvisor einzusehen, gab es nicht. Kurz vor der Abreise kamen die entsprechenden Unterlagen mit der Post. Alles lief analog ab. Wenn man vorab etwas über das jeweilige Land erfahren wollte, kaufte man sich einen Reiseführer oder lieh ihn sich in der Bücherei aus. Im Urlaub schrieb man Postkarten und fotografierte mit einer analogen Kamera. Wenn der Film voll war, war er voll. Nach ein paar Tagen rief man von der Telefonkabine des Hotels aus die Verwandten an, um sich zu erkundigen, ob daheim alles in Ordnung ist. Man hielt sich kurz, schließlich war ein solcher Anruf nicht gerade günstig.

So war das damals…

App in den Urlaub

Und heute? Heute gibt es das Reisebüro unseres Vertrauens nicht mehr. Die Besitzerin hat ihr Geschäft schon vor vielen Jahren aufgegeben. Daran bin auch ich schuld, denn seit 14 Jahren buche ich meine Reisen fast ausschließlich online. Sobald ich ein Reiseziel ausgewählt habe, lege ich auf den einschlägigen Buchungsportalen bestimmte Kriterien für das Hotel fest, werfe einen Blick in die Bewertungen und buche. In vielen Fällen wickle ich das sogar über die entsprechende Smartphone-App ab. Berücksichtigt man einige Basics (nur Hotels mit mehreren hundert Bewertungen, durchschnittliche Bewertung mindestens 4,5 von 5 Sternen respektive mehr als 90 Prozent Kundenzufriedenheit) kann so gut wie nichts schief gehen.

Danach wechsle ich die App und buche mir einen Flug. Innerhalb weniger Sekunden lassen sich mehrere hundert Fluglinien miteinander vergleichen. Ich kann mir Alternativen anzeigen lassen und habe drei Klicks später meine Flüge gebucht. Kurz vor der Abreise erledige ich in denselben Apps den Check-in für Flug und Hotel. Die Bordkarte gibt’s als QR-Code aufs iPhone, wer eine Apple Watch hat, hält einfach diese auf das Lesegerät am Flughafen.

Eine Kamera habe ich nur selten dabei. Die Bilder, die mein iPhone macht, reichen für Urlaubsschnappschüsse allemal aus. Außerdem kann ich die Smartphone-Fotos mit einem Klick als „digitale Postkarte“ an meine Familie und Freunde schicken – zumindest an die, die nicht bei Facebook sind, denn letztere können meine Reise ja ohnehin mitverfolgen.

Und auch in allen anderen Bereichen hat das Smartphone den Dingen von „damals“ den Rang abgelaufen: Der Reiseführer ist inzwischen kein unhandliches Buch mehr, sondern eine App, die das Reisen dank GPS-Ortung und Online-Anbindung wesentlich einfacher macht. Der Langenscheidt heißt heutzutage Google Übersetzer. Das Taxi winkt man nicht mehr ran, sondern bucht bequem per MyTaxi oder Uber.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen…

Wir lassen den Alltag nicht mehr hinter uns

Das alles hört sich zunächst super an. Das kompakte Smartphone ist Reisebüro, Ticket, Reiseführer, Übersetzer, Kamera und Postkarte in einem. Das Schweizer Taschenmesser des Reisens sozusagen. Sogar Netflix und Spotify hat man weltweit und rund um die Uhr in der Hosentasche.

Der Preis für all diesen Komfort ist jedoch vergleichsweise hoch, denn wer auf die oben beschriebene Art und Weise mit dem Smartphone reist, lässt den Alltag nie wirklich hinter sich. Abgesehen vom Fotografieren benötigen so gut wie alle Funktionen eine aktive Internetverbindung. Es kommen also auch E-Mails, Tweets und WhatsApp-Nachrichten an. Das eben gepostete Bild bei Facebook wird kommentiert – und man ist geneigt, auf die Kommentare zu antworten. Anstatt das Land und die Leute auf sich wirken zu lassen, überlegt man sich lieber die Formulierung für den nächsten Tweet. Fotos macht man nicht mehr bewusst, sondern hält einfach drauf. Der Speicher reicht ja für ein paar tausend Bilder aus. Wer hingegen auf Instagram aktiv ist, ist oftmals länger mit dem perfekten Shot beschäftigt, als mit der Geschichte der jeweiligen Sehenswürdigkeit.

Schlimmer noch: Sobald man Facebook und Co. öffnet, ist man zurück im Alltag und bekommt all die Probleme mit, die man im Urlaub hinter sich lassen wollte. Eine E-Mail mit schlechten Nachrichten, kann einem im Zweifelsfall den ganzen Urlaub kaputt machen.

Ja, man kann E-Mails deaktivieren. Ebenso die App-Benachrichtigungen. Aber wer kann schon der Versuchung widerstehen, in einer ruhigen Minute aus reiner Neugier dann doch „mal kurz reinzuschauen“?

Wie geht ihr mit dem Thema um? Reist ihr noch „analog“ oder behaltet ihr die 24/7-Verfügbarkeit auch im Urlaub bei?