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Der Posteingang platzt, To-do-Listen wachsen und Abstimmungen ziehen sich, oft länger als der Gang zur Kaffeemaschine. In mittelständischen Unternehmen ist das kein Ausnahmezustand, sondern Alltag. Parallel wächst das Gefühl, beim Thema Künstlicher Intelligenz nicht Schritt zu halten. Schließlich nutzen laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) 2025 nur etwas mehr als ein Drittel der Firmen KI. Zwar beschäftigen sich 57 Prozent mit dem Thema und 37 Prozent planen den Einsatz, doch in der Praxis bleibt vieles Theorie. Dieses Zögern ist die KI-FOMO, die „Fear of Missing Out“, also die Angst, etwas zu verpassen: Alle sprechen über KI, aber nur wenige handeln.

Das Muster ist immer dasselbe: Wer ständig hört, dass andere schon weiter sind, fühlt sich blockiert. Statt selbst auszuprobieren, wird abgewartet und genau dadurch entsteht der Rückstand. Für den Mittelstand, ohnehin belastet durch Fachkräftemangel und steigende Kundenerwartungen, ist das besonders riskant.

Die unsichtbare Unterstützung

Doch wie lässt sich die Angst überwinden? Die gute Nachricht: Der Einstieg in KI muss nicht kompliziert sein. Dafür gibt es die sogenannten KI-Agenten: Softwarelösungen auf Basis von Large Language Models (LLM), die wie digitale Kollegen arbeiten. Sie verfolgen ein Ziel, erledigen Aufgaben Schritt für Schritt, fragen bei Unsicherheiten nach und dokumentieren alles sauber. Er wird nie müde, vergisst nichts und schafft damit eine Verlässlichkeit, die in vielen Firmen fehlt.

Das Prinzip nennt sich „Agentic Approach“. Mehrere spezialisierte Agenten arbeiten zusammen wie ein eingespieltes Team: Der eine kümmert sich um Kommunikation, der nächste um Datenabgleiche, ein dritter um Dokumentation. Für den Mittelstand, wo Budgets und IT-Ressourcen begrenzt sind, ist das der entscheidende Vorteil. KI-Agenten lassen sich ohne große Infrastruktur einsetzen und liefern sofort spürbare Ergebnisse.

Routinen automatisieren

Am deutlichsten zeigt sich der Nutzen der KI-Agenten bei Arbeitsroutinen. Beim Onboarding neuer Mitarbeiter:innen übernehmen KI-Agenten zum Beispiel Formulare, Zugänge und Protokolle. Im Einkauf prüfen sie Angebote, gleichen Mengen ab und fordern fehlende Informationen ein. In der Produktion lesen sie Stücklisten, erfassen Prüfschritte und erstellen automatisch digitale Logbücher. Prozesse, die sonst Tage dauern, laufen in wenigen Stunden ab, fehlerfrei und jederzeit nachvollziehbar. Das zeigt: KI-Agenten schaffen Freiräume, indem sie Routinen übernehmen und Menschen von „einfacher” Arbeit entlasten.

Technologie allein reicht allerdings nicht. Viele Mitarbeitende fürchten, durch KI ersetzt zu werden oder die Kontrolle zu verlieren. Deshalb ist eine klare Kommunikation entscheidend: Es geht nicht darum, Menschen überflüssig zu machen, sondern Routinen abzunehmen. Erste Pilotprojekte zeigen, dass die Akzeptanz steigt, sobald Teams erleben, wie spürbar die Entlastung ist: weniger Nachfragen, weniger Zettelarbeit, weniger Chaos. Transparenz, kleine Erfolgserlebnisse und gemeinsame Auswertungen sind der Schlüssel zum Vertrauen.

Trotzdem aufgepasst: KI-Agenten brauchen klare Leitplanken. Drei einfache Prinzipien genügen bereits, um sicher zu starten. Erstens sollten Zugriffsrechte klar begrenzt sein – Agenten dürfen nur sehen, was sie wirklich brauchen („Least Privilege“). Zweitens muss jeder Schritt dokumentiert werden – ein lückenloses Protokoll schafft Vertrauen und Kontrolle („Audit Trail“). Und drittens gilt: Bei rechtlichen oder finanziellen Konsequenzen entscheidet der Mensch („Freigabeprinzip“). Mit diesen drei Regeln arbeiten KI-Agenten verlässlich, nachvollziehbar und im Einklang mit den EU-Vorgaben.

Aus KI-FOMO wird Fortschritt

Noch ist offen, welche Rolle KI-Agenten langfristig im Team spielen. Werden sie als Kolleg:innen gesehen oder nur als austauschbare Werkzeuge? Klar ist: Die Diskussion wird kommen, sobald KI-Agenten tiefer in Prozesse eingebunden sind. Entscheidend ist, dass Unternehmen jetzt Erfahrungen sammeln.

Die eigentliche Gefahr liegt nicht in der KI selbst, sondern im Warten. Wer zögert, bleibt in der KI-FOMO gefangen. Der Mittelstand steht wie einst zur Zeit der Industrialisierung vor einer Zäsur. Heute entscheidet sich, wer aus neuer Technologie Wachstum und Stärke entwickelt. Also: Nicht abwarten – jetzt anfangen.

Titelbildistockphoto.com/WANAN YOSSINGKUM
Gherdì Glaser
Gherdì Glaser ist Innovation Manager bei NTT DATA Business Solutions und Corporate Influencer für Künstliche Intelligenz. Er verbindet Data-Science-Expertise mit den Möglichkeiten generativer KI, um praxisnahe Lösungen für den Mittelstand zu entwickeln. Sein Ziel: Geschäftsprozesse neu denken, Mehrwert aus Daten schaffen und eine verantwortungsvolle KI-Kultur etablieren. Bildnachweis: NTT DATA Business Solutions