Viele Unternehmen erleben, dass neue Mitarbeitende bereits in der Probezeit wieder kündigen. Laut Studien betrifft das etwa 18 % der Neueinstellungen in den ersten drei Monaten – häufig wegen unklarer Erwartungen und mangelnder Passung. Dieses Problem lässt sich durch eignungsdiagnostisch fundierte Interviews gezielt vermeiden. Katharina Behnke (ITB Consulting GmbH) hat im Modul „Einstellungsentscheidungen richtig treffen“ der Workshop-Reihe „Next Level HR“ wertvolle Einblicke gegeben.
Warum strukturierte Interviews entscheidend sind
Teilstrukturierte, kompetenzbasierte Interviews gehören zu den zuverlässigsten Instrumenten in der Personalauswahl. Sie verbinden eine klare Struktur mit Raum für individuelle Gesprächsdynamik. Grundlage ist eine systematische Anforderungsanalyse, aus der ein Interviewleitfaden mit kompetenzorientierten Fragen entwickelt wird.
Diese Herangehensweise ermöglicht:
- die gezielte Einschätzung relevanter Kompetenzen
- eine valide Vergleichbarkeit aller Kandidat:innen
- die Reduktion subjektiver Verzerrungen und Bauchentscheidungen
- sowie die Verbesserung der Passung zwischen Mensch und Aufgabe.
Vom Bauchgefühl zur fundierten Entscheidung
Während viele Recruiter:innen sich in der Praxis auf ihr Bauchgefühl verlassen, zeigt die Forschung deutlich: Strukturierte Interviews in Kombination mit kognitiven Tests bieten die höchste prognostische Validität für beruflichen Erfolg. Objektive Kriterien schlagen Intuition – besonders dann, wenn sie auf einem klaren Anforderungsprofil basieren.
Interviewqualität steigern: So geht’s
Was ein gutes Interview auszeichnet:
- Anforderungsanalyse als Ausgangspunkt:
- Welche Kompetenzen sind erfolgskritisch für die Position?
- Welche Verhaltensindikatoren lassen sich beobachten?
- Interviewleitfaden entwickeln:
- Kombination aus biografischen und situativen Fragen (z. B. Trichter-Methode)
- Orientierung an klaren Bewertungsskalen mit Verhaltensankern
- Teilstrukturierte Umsetzung:
- Konsistente Fragen für Vergleichbarkeit
- Flexibilität für spontane Rückfragen und Dialogtiefe
- Mehrperspektivische Bewertung:
- Beteiligung mehrerer Interviewer:innen zur Objektivierung
- Dokumentation und Konsolidierung im Nachgang
Effizient und wertschätzend: Der Interviewprozess als Erlebnis
Ein professioneller Auswahlprozess ist nicht nur Diagnostik – er ist auch ein entscheidender Kontaktpunkt mit der Arbeitgebermarke. Die Candidate Experience wird dabei zum Wettbewerbsvorteil:
Erfolgsfaktoren für positive Erlebnisse:
- Transparenz im Prozess: Frühzeitige Information über Anforderungen, Ablauf, Aufgaben und Unternehmenskultur
- Strukturierte Kommunikation: Klare Zeitpläne, proaktive Rückmeldungen, Vermeidung unnötiger Verzögerungen
- Realistische Einblicke: Chancen und Herausforderungen offen benennen – Authentizität schafft Vertrauen
- Feedback-Kultur: Auch bei Absagen respektvoll und entwicklungsorientiert kommunizieren
Pragmatische Empfehlungen für die Umsetzung
- Frühzeitig Klarheit schaffen: Anforderungen und Ablauf bereits in Stellenanzeigen oder Vorgesprächen thematisieren
- Interviewphasen standardisieren:
- Erstgespräch (HR): Fokus auf Motivation und Erwartungen
- Zweitgespräch (Fachbereich): Kompetenzdiagnostik im Vordergrund
- Optional: Arbeitsprobe oder Case zur Verhaltensbeobachtung
- Optional: Schnuppern oder Kennenlernen im Team
- Effizienz sicherstellen:
- Weg von ABC-Kategorisierungen ohne Konsequenz
- Führungskräfte in Fristen und Auswahlstandards einbinden
- HR als proaktive Prozessmoderation mit diagnostischem Blick
Fazit: Struktur schafft Qualität
Wer teilstrukturierte Interviews auf Basis einer fundierten Anforderungsanalyse einsetzt und sie mit diagnostischem Know-how führt, trifft nicht nur bessere Entscheidungen – sondern gestaltet einen Prozess, der auch bei Bewerbenden Vertrauen und Bindung aufbaut.
Fundierte Eignungsdiagnostik und positive Candidate Experience sind kein Widerspruch – sondern die ideale Kombination für nachhaltige Personalauswahl.
Für vertiefte Informationen zur Entwicklung eignungsdiagnostisch fundierter Interviewleitfäden oder zur Integration in euren Auswahlprozess kontaktiert gerne Katharina Behnke von der ITB Consulting GmbH.
Branchenzentriert qualifizieren
Im Rahmen des Aufrufs „Branchenzentriert qualifizieren – Zukunft sichern“ wird durch das ESF-Plus Projekt „Branchen-Quali-Digital“ die IKT-Branche in Baden-Württemberg durch branchenzentrierte Qualifizierung zukunftsfähig aufgestellt, damit sie Treiber von Innovation und gesamtwirtschaftlichem Wachstum in nahezu allen anderen Wirtschaftsbereichen bleibt. Kofinanziert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Baden-Württemberg.