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Laut Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, werden die Netzbetreiber in Deutschland ihre Anschlüsse mit über 100 MBit/s kaum los. Die Netzgemeinde reagierte am Wochenende auf diese Aussage mit Spott – zu Unrecht. Ein Kommentar.

Seit mehreren Tagen tobt im Netz eine Diskussion über einen Satz, den Dorothee Bär in einem Interview mit golem.de fallen ließ:

„Als besonders wichtig sehe ich den schnellen Anschluss von Schulen, Krankenhäusern und Gewerbegebieten. Dort werden heute schon Gigabit-Bandbreiten benötigt. Und wenn die Schülerinnen und Schüler erst einmal Erfahrungen mit dem Gigabitnetz gesammelt haben, bin ich guter Hoffnung, dass Privathaushalte sich auch für die schnellen Anschlüsse entscheiden. Im Moment haben wir ja das Problem, dass die Telekommunikationsunternehmen auch ihre 100 oder 200 MBit/s-Anschlüsse nicht loswerden.

Nochmal zum Mitschreiben: „Im Moment haben wir ja das Problem, dass die Telekommunikationsunternehmen auch ihre 100 oder 200 MBit/s-Anschlüsse nicht loswerden.“ Das – und nichts anderes – hat Dorothee Bär gegenüber golem.de behauptet. In den sozialen Netzwerken wurde aus diesem Zitat dann recht schnell „Dorothee Bär hat gesagt, dass niemand mehr als 100 MBit/s will!“ oder „Was? Niemand braucht mehr als 100 MBit/s? Die hat doch keine Ahnung! Wieder mal typisch!“

Die Mistgabeln wurden ausgepackt, die Fackeln angezündet und man zog mit viel Häme und Spott über die „inkompetenten, unwissenden“ Politiker her – um nur die freundlichsten Äußerungen zu nennen.

Aber so einfach ist das leider nicht.

Viele Bürger sehen die Notwendigkeit von schnellem Internet (noch) nicht

Ich habe mich in den vergangenen Jahren ausführlich mit dem Thema Breitbandausbau beschäftigt und am eigenen Leib erfahren, dass Deutschland gerade im ländlichen Raum ein Problem mit der Netzinfrastruktur hat. Daran besteht kein Zweifel. Es ist auch unstrittig, dass die Bundesregierung sich diesbezüglich jahrelang in einem Dornröschenschlaf befunden hat und weitaus mehr hätte investieren müssen. Es ist meiner Meinung nach ein Unding, dass im Jahr 2018 Neubaugebiete erschlossen werden und die Netzbetreiber und Stadtwerke nur Leerrohre verlegen, anstatt gleich eine Anbindung an das Glasfasernetz herzustellen. Ebenso schockiert war ich, als mir die Telekom mitteilte, dass man uns im Neubaugebiet maximal 16 MBit/s anbieten kann, die in der Praxis aber wohl eher 6 oder 8 MBit/s sein werden – „ein Netzausbau ist in den kommenden Jahren in ihrem Gebiet nicht geplant.“

Das ist die eine Seite der Medaille – und ich könnte mich darüber stundenlang aufregen. Aber, und da kommt nun wieder Doro Bär mit ihrer Aussage ins Spiel: Ich musste in den vergangenen Jahren auch immer wieder feststellen, dass das Interesse an schnellem Internet zum Teil erschreckend gering ist.

  • angesprochen auf die 16 MBit/s, teilte mir der Erschließungsträger mit: „Ach, ich habe daheim inzwischen auch 16 MBit/s. Das ist super! Das reicht dicke für alles! Machen Sie sich da keine Gedanken!“
  • angesprochen auf den schlechten Netzausbau, teilte mir die Verwaltung mit: „In diesem Stadtteil hat sich seit Jahren niemand über langsames Internet beschwert. Ohne Nachfrage lohnt es sich auch nicht, ein Angebot zu schaffen.“
  • als hier in der Gegend mehrere Straßenzüge für viel Geld mit FTTH ausgestattet wurden und die Anwohner für den Hausanschluss einmalig 500 Euro zahlen sollten, nahm genau ein Haushalt das Angebot an.

Ich kann diese Liste beliebig fortsetzen. Fakt ist, dass die Netzbetreiber auch deshalb nicht investieren, weil die Nachfrage fehlt. Freilich gibt es inzwischen in jedem Ort Menschen wie mich, die sich über langsames Internet und den schleppenden Netzausbau in Deutschland beschweren. Die sich vielleicht sogar für lokale Initiativen einsetzen.

Aber wenn sich dann in einem Neubaugebiet nur zwei von 30 Haushalten überhaupt für einen Glasfaseranschluss interessieren, kann man den Unternehmen dann wirklich verdenken, dass sie beim Netzausbau zögerlich sind?