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Wenn es um klassische Industrieprodukte geht, dann steht Deutschland in Europa und in der Welt weiter auf einem Spitzenplatz. Doch während der Maschinenbau floriert, taten sich die bisherigen Regierungen mit der Förderung der digitalen Wirtschaft schwer. Der neue Koalitionsvertrag will das ändern.

Apple, Google, Amazon, Facebook und Co. – in der IT-Branche haben die USA die Nase weit vorn. Die meisten globalen Internetfirmen und Softwarehersteller sind US-amerikanisch. Hardware wie Laptops, Tablets oder Smartphone kommen meist aus Asien. Die EU-Länder können mit der Entwicklung schon seit Jahren nicht mehr mithalten. In der Bundesrepublik liegt der Anteil der Internet-Wirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bei kargen drei Prozent. Das will Deutschlands neue Regierung ändern. Mit dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sind wichtige Weichen für die Wirtschaft gestellt worden, die für Unternehmer und Investoren im In- und Ausland von Bedeutung sind.

So will man die Zahl der Firmenneugründungen im digitalen Bereich von 10.000 auf 15.000 Gründungen pro Jahr erhöhen. Um dies zu erreichen sollen zwei Hebel eingesetzt werden. Zunächst soll die Gründung eines Unternehmens entbürokratisiert werden. Eine Firma in Deutschland zu gründen ist weiterhin eine zeitraubende Angelegenheit, die mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann. Zum Vergleich: In Frankreich, auch einem Land mit einer großen Tradition in Sachen Bürokratie, dauert der gleiche Vorgang ein paar Tage.

Steuerliche Vorteile

Als weiteren Schritt plant die Regierung ein neues Venture-Capital-Gesetz, das den Zufluss von ausländischen Finanzmitteln erleichtern soll. Wie genau das aussehen wird, hat man allerdings noch nicht mitgeteilt. Experten gehen davon aus, dass steuerliche Vorteile und längere Abschreibungsfristen geplant sind.

Damit würde Deutschland in Europa endlich nachziehen, nachdem derartige Vorteile für neue Unternehmen in Irland oder Luxemburg schon lange gelten. Für Investoren sind es gute Nachrichten, denn zum einen ergeben sich neue Möglichkeiten im Bereich Risikokapital, zum anderen sind auch langfristige Anlagen in Deutschland interessant. Denn die Bundesregierung setzt auch auf Nachhaltigkeit und hat von vornherein die Internationalisierung der Unternehmen im Auge. Ein Unternehmen, das nur auf den deutschen Markt fokussiert ist auf Dauer nur selten überlebensfähig.

Daher gibt es das Projekt „Industrie 4.0„. Hier sollen gleich doppelt Brücken geschlagen werden. Zum einen zwischen Investoren und Gründern, zum anderen aber auch zwischen der klassischen und der digitalen Industrie. Mechanismen, die in der klassischen Industrie funktionieren, sollen in den digitalen Bereich überführt werden – und umgekehrt.

Stockende Infrastruktur

Während man also im Bereich Gründung, Venture und Förderung in Deutschland schon relativ gut aufgestellt ist, sieht das in vielen Bereichen der Infrastruktur schlecht aus. In Sachen Breitbandausbau taucht die Bundesrepublik nicht mal unter den ersten 22 Ländern in Europa auf. Ganze Landstriche sind teilweise vom schnellen Internet abgekoppelt, weil die großen Provider sich weigern, die Leitungen zu legen. Die Kosten seien zu hoch, argumentieren diese. Doch gerade auf dem Land sitzen viele kleine und mittelständische Unternehmen, darunter Firmen mit mehreren tausend Mitarbeitern und dreistelligen Millionenumsätzen. Das Land Bayern hat fast ein Jahrzehnt lang die Klagen der Unternehmer ignoriert und sie den Providern zugeschoben. Doch damit ist jetzt Schluss, man möchte die Sache wieder selber in die Hand zu nehmen. Man plant bis zu eine Milliarde Euro allein in Bayern zu investieren, damit der Breitbandausbau auch in ländlichen Gebieten vorankommt.

Die neuen schnellen Netze will man aber auch um eigene Dienste zu etablieren. Die NSA-Affäre hat in Deutschland für große Verunsicherung gesorgt und nicht wenige Politiker fordern eine Art „Deutschland-Netz„, bei dem der Datenverkehr nicht über Server im Ausland geleitet wird. Stockend ist auch der Ausbau von E-Government-Diensten. Während man in Skandinavien seine Behördendienste von zu Hause erledigen kann, steht man in Deutschland wie vor 150 Jahren Schlange in den Behörden. Eine elektronische Steuererklärung gibt es zwar, aber die funktioniert nur für Windows-User. Die Behörden schafft es seit Jahren nicht die gängige OS X Plattform zu unterstützen.

Was auch eine neue Regierung nur schwer ändern kann: die Mentalität. Kritiker bemängeln den fehlenden Wagemut in Deutschland („German Angst“). Während sich in den USA eine Kultur des risikoreichen „Trial and Error“ etabliert hat, gilt in Deutschland Scheitern nach wie vor als Makel. Wessen Idee ein Flop war, der gewinnt keine deutsche Bank und kaum einen Geldgeber, der bereit ist, weitere Projekte eines Gestürzten zu finanzieren. Hier lohnt es sich, immer wieder auch einen Blick ins Silicon Valley zu werfen.