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Nein, ein Wechsel von Android auf iOS lohnt sich nicht wirklich; zumindest, wenn man sein Android-System auf einem Spitzenmodel betreibt. Im meinem Fall lief OxygenOS auf dem OnePlus 5 – meines Erachtens eines der potentesten Kombinationen. Dennoch wechselte ich vor gut vier Wochen in Sachen Betriebssystem auf iOS und legte mir zudem gleich das iPhone X zu. Zeit für einen Aufschrei.

Hinweis des Autors: Bevor ich mich im Folgenden um Kopf und Kragen schreibe, habe ich noch zwei schöne Videos zu den Themen iPhone X und iOS in den Fließtext eingebettet.

Ich hatte vor einigen Jahren schon prognostiziert, dass sich die Ökosysteme rund um Android und iOS lediglich in der jeweiligen Software unterscheiden werden. Wie wahr. Die Hardware spielt mittlerweile bei beiden Systemen kaum oder überhaupt keine Rolle mehr – außer man ist Fanboy. Display, Auflösung, Prozessoren, Grafik und Arbeitsspeicher sind in der Regel in hervorragender Qualität und technischen Dimensionen ausreichend vorhanden; Aussetzer oder Abstürze sind bei den gängigsten Apps eher die Ausnahmen. Ich will daher nur kurz die für mich neue Hardware des iPhone X bewerten.

iPhone X: potente Hardware, mehr nicht

Das Gerät ist flott unterwegs. Applikationen starten zügig, der Wechsel zwischen geöffneten Apps verläuft reibungslos. Der Speicher von drei Gigabyte sowie der A11 Bionic-Chip sind auf das installierte iOS 11 perfekt abgestimmt. Und klar, dass 5,8 Zoll große Display macht was her. Aber Rocket-Science beschreiben die Komponenten nicht. Lediglich auf das Design der jeweiligen Komponenten darf das in Cupertino ansässige Unternehmen stolz sein. Bevor ich mich aber wieder in einen Glaubenskrieg begebe, kommen wir hardwaretechnisch gleich zu meinem Fazit: Ein Wechsel von der Android-Plattform auf die von iOS rechtfertigt das iPhone X nicht. Die Hardware beider Lager ist heutzutage so potent, die installierten Apps sowie das eigentliche OS bringen Spitzenmodelle nicht mehr ins Schwitzen – egal ob die smarten Begleiter von Google, Huawei, Sony, Samsung, OnePlus oder eben Apple stammen.

Betriebssystem: Android vs. iOS

Das bringt mich zu meiner eingangs erwähnten These, dass die Software zu einer Entscheidung führt, welches Ökosystem in die Hosentasche wandert. Die Sicherheit beider Systeme ist mir, bei der jetzigen Einschätzung, völlig egal. Sicherheitslücken wird es immer geben. Der entscheidende und zu nennende Unterschied: Apple hat in seiner Sicherheitspolitik seinen App Store mit berücksichtigt. Wer dort landet, ist, ignoriert man die zuletzt veröffentlichte Verknüpfung zwischen Facebook und WhatsApp, zumindest auf gewisse Sicherheitsstandards geprüft. Google prüft zwar auch, doch wird in Google Play die hochgeladene Software in der Regel freigegeben und erst später einer Prüfung unterzogen. Dennoch, die sinnlosen Kaffeesatzlesungen einiger Apple-Fan-Boys und Magazinen ignoriere ich bewusst.

Denn das Hervorheben von irgendwelchen Apple-seitigen Diensten oder Apps würde meine derzeitige Begeisterung (Besitz) über das X/iOS11 zum Verkauf wandeln lassen: So zeigen die Applikationen Apple Music, iTunes, Kalender, Dateien, iCloud, Fotos und Health das totale Versagen Apples, die Flexibilität des Ökosystems dem Anwender zu überlassen. Auch in Sachen Push-Nachrichten ist Apple weniger kundenfreundlich. So funktioniert die Push-Notification via Smartwatch, nach meinen Versuchen und Recherchen, beispielsweise bei Mail, ausschließlich auf der iWatch beziehungsweise mit einer iCloud-Verknüpfung. Auf meiner Garmin Fenix 5 wird diese Möglichkeit von allen Apps perfekt unterstützt; hauseigene i-Anwendungen pushen leider nicht beziehungsweise nur auf die von Apple lizensierten Gadgets.

Dennoch hat Apple dazugelernt. Seit es mit der iPad-Sparte bergab geht, hat der Konzern mächtig am iOS geschraubt. Der Grund: Apple forcierte das iTablet als zukünftigen PC-Ersatz. Auf Pro-Ebene hat allerdings Microsoft die Nase vorn. Denn während Apple seine Hardware mit beschränkten Betriebssystem anbietet, kommt etwa das aktuelle Surface der Redmonder mit vollwertigem Betriebssystem (Windows 10) auf den Markt. Durch diesen wirtschaftlichen Druck profitiert meines Erachtens derzeit auch die iPhone-Sparte.

Das Ökosystem aus Cupertino ist trotz dieser Restriktionen perfekt aufeinander abgestimmt. Egal ob Software oder Hardware; alles scheint aus einem Guss. Einem Guss, der mich nun zu meinem persönlichen Highlight führt – nein, nicht die Kamera samt TrueDepth-Kamerasystem alias Face ID! Alles, innovativ betrachtet, langweilige Dinge, die es zudem in unzähligen Varianten auch bei der Konkurrenz im Portfolio gibt. Vielmehr sind es die iOS-11-Gesten, die mich derzeit dauerhaft mit dem iPhone X werkeln lassen.

Apple schafft es, im Gegensatz zur ‚Konkurrenz‘, die Arbeit mit iOS so zu visualisieren, dass sogar der Autor gerne mit iOS arbeitet. Der einzige Haken: Das System hat erst auf dem X seine Berechtigung – dort installiert, kann man wahrlich von einer innovativen Gestensteuerung mit IQ sprechen. So konzentriert sich die Menüführung beim iPhone 8 / Plus noch explizit auf den hardwaretechnisch integrierten Home-Button. Egal ob Homescreen, Multitasking, App-Übersicht, Standby-Modus: ohne Home-Button sind die Nutzer des iPhone 8 -und älter- aufgeschmissen. Anders beim Model X. Die Aktivierung per Face-ID fügt sich nahtlos in die Gestensteuerung von iOS 11 ein. Der Wechsel zwischen den einzelnen Apps, die Multitasking-Übersicht, das Beenden der einzelnen Applikationen – alles wie, ja tatsächlich, aus einem Guss.

Der Ausgangspunkt bildet dabei der unterste Rand des Displays. Dort ist ein kleiner Balken als Anhaltspunkt für die Gesten implementiert. Und wischt man sich in die einzelnen Apps (auch Drittanbieter) genauer ein, spiegelt sich speziell dort die Verliebtheit im Detail wider. Warum? iOS-Entwickler zahlen für die Teilnahme am App Store einen überschaubaren Beitrag an Apple und drücken diesen extrem gewinnträchtig wieder an den Nutzer ab; anders als bei Google Play: Die iOS-Entwickler verdienen Geld. Und vielleicht ist das der Knackpunkt. So wirken die iOS-Apps funktional ausgereifter und Design-technisch schicker. Jede Wischgeste macht Spaß, egal ob in Mail, Tweetbot, Evernote, Fantastical oder MobileforJira. Dazu muss man erwähnen, dass ich meine Smartphones generell als Arbeitstiere vergewaltige. Schnickschnack ‚war‘ bisher nie mein Ding. Mit den entsprechenden Apps macht das mobile Arbeiten richtig Spaß; einen Desktop-PC beziehungsweise ein Notebook kann aber auch das iPhone X gepaart mit dem iOS nicht ersetzen.

Apropos Spaß beim Wischen. Schöne Gesten, die allerdings auch Negativ-Schlagzeilen machten. So sind die Wischgesten zu den Benachrichtigungen beziehungsweise zum Kontrollzentrum so überflüssig, wie nutzlos integriert. Der Nutzer kann im Kontrollzentrum beispielsweise das WLAN nicht ‚deaktivieren‘; es bleibt auch bei Deaktivierung im Hintergrund aktiv und lässt sich nur in den Einstellungen oder per Sprachsteuerung Siri beenden – zumindest hat der Anwender ein gutes Gefühl. Das gleiche gilt für die Bluetooth-Schnittstelle. Lediglich die physische Verbindung zu den jeweiligen Geräten wird getrennt. Sicherheitstechnisch ist das meines Erachtens ein Drama.

Und jetzt?

Zusammengefasst heißt das jetzt was? Nichts. Kauft euch das Smartphone, welches euch aktuell glücklich macht. Da heutzutage eh die Daten in der Cloud liegen, ist die Speicherangabe mittlerweile hinfällig – gerade beim iOS-System werden die Daten Applikations-spezifisch gespeichert. Ein Datei-Management like Android, MacOS und Windows sucht der Anwender vergebens. Ansonsten kann jeder Hersteller irgendwie überzeugen – auf eure Bedürfnisse kommt es an.

Das Betriebssystem muss einfach flüssig funktionieren, basta. Steht ihr allerdings auf schön visualisierte Gesten, kommt ihr an iOS nicht vorbei. Einen Kauf des iPhone X kann ich daher nur empfehlen; eine Kaufempfehlung für ein älteres iPhone kann ich allerdings nicht aussprechen. Aber nur, weil die Gesten auf dem X-Gerät einfach sinniger sind. Alles andere sind Kaffeesatzlesungen und an diese beteilige ich mich bekanntlich nicht. Ach ja, der Markus Beckedahl hatte kürzlich das iPhone X beziehungsweise die Gesichtserkennung Face ID in Frage gestellt. In diesem Sinne Wisch und weg.

Teaserbild: CC BY-SA 2.0 / William Hook