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Wie entwickelt sich ein neuer Trend? Seit zwei Jahrzehnten geht Gartner mit dem Hype Cycle dieser Frage auf den Grund – und hat so ein Standardwerkzeug für Unternehmen geschaffen.

Von „Advanced Analytics and Data Science“ bis „Wireless Networking Infrastructure“ – zu über 170 Themen liefert das Marktforschungs-Unternehmen Gartner einen Hype Cycle, eine Einschätzung, wo eine Technologie steht und wie sich diese entwickeln wird. Zwar sind die Themen und die Entwicklungen, die Gartner zu jedem Thema analysiert, unterschiedlicher Natur, ihr Verlauf ist jedoch immer gleich.

Vom Peak of Inflated Expectations bis zum Plateau of Productivity

Am Anfang steht die Erfindung, ein technologischer Auslöser. Andere Unternehmen, Kunden und Medien entdecken diesen und steigern ihre Erwartungshaltung zum sogenannten „Gipfel der überzogenen Erwartungen“. Die darauf folgende Wartezeit, Kinderkrankheiten der ersten Generation und andere Anfangsschwierigkeiten lassen die Innovation in das „Tal der Enttäuschungen“ abstürzen, bevor der erholende „Pfad der Erleuchtung“ zum „Plateau der Produktivität“ führt – jenes Level, auf dem das Produkt oder der Dienst erfolgreich ist und langfristig Gewinne abwirft. Die Aufmerksamkeit sowie die Dauer zwischen den Phasen unterscheidet sich je nach Produkt.

Schaubild Gartner Hype Cycle
Jeder Hype Cycle durchwandert die fünf Schlüsselphasen eines technologischen Lebenszyklus. (Grafik: Gartner)

Erfunden hat das Modell Jackie Fenn, damals noch Gartner-Beraterin, heute Vizepräsidentin des Unternehmens mit dem Schwerpunkt IT-Management. Den ersten Hype Cycle entwickelte die Expertin für eine kleine Forschungsarbeit. Während Kunden bei Fenn nachfragten, den Hype Cycle auch für andere Bereiche zu entwickeln, begannen ihre Kollegen mit der Einordnung anderer Technologien entlang der Kurve. Seitdem veröffentlicht Gartner den Hype Cycle jährlich und die Themenvielfalt wächst ständig.

Wie sehr der Hype Cycle ins Schwarze treffen kann, zeigte Gartner übrigens im November 1999. Schon ein halbes Jahr vorher hatten die Marktforscher das Platzen der Dotcom-Blase vorhergesehen. Die Vorhersage, das Internet, damals noch „Information Highway“ genannt, würde sich nicht durchsetzen, entpuppte sich als falsche Vorhersage.

Nutzen für Unternehmen

Wichtigste Zutat für den Erfolg eines Hypes sind Anwendungen oder konkrete Einsatzbereiche, die schon direkt nach der ersten Veröffentlichung und vor erreichen des Hype-Gipfels vorhanden sein müssen. Da der Erfolg kein Automatismus ist, ist ein langer Atem und ein finanzielles Polster ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Während Konkurrenten erst auf dem „Pfad der Erleuchtung“ Applikationen für ihr Produkt entdecken, sollten Vorreiter in diesem Stadium schon längst zum Regelbetrieb übergehen. Sind weder Ausdauer noch Risikobereitschaft vorhanden, lautet die Devise abwarten, Konkurrenz beobachten und abschätzen, wie sich ein Trend entwickelt.

Ein einfaches Ablesen des passenden Hype Cycles mit anschließendem Aha-Effekt funktioniert aber nur in seltenen Fällen. Die Grafik zeigt zwar den Ist-Zustand zum aktuellen Zeitpunkt, nicht aber das Tempo mit dem sich der Trend fortbewegt. Unternehmen, die noch nicht von Gartner erfasst wurden, müssen sich zudem selbst auf dem Hype Cycle einordnen. Erschwerend hinzu kommen Technologien, die noch vor dem „Plateau der Produktivität“ ausscheiden – frei nach Monopoly: Gehe zurück auf Los! – und den Cycle erneut durchlaufen oder einzelne Bereiche komplett überspringen.

Zurück zur Selbsteinschätzung: Bei der Verortung im ersten Bereich der Kurve zwischen technologischem Durchbruch und überzogener Hoffnung sind richtige Öffentlichkeitsarbeit, Investitionen durch Partner und Neueinstellungen zur Weiterentwicklung des Produkts wichtig. Um den negativen Effekt in der zweiten Stufe zu verringern, sollten Unternehmen sich selbst und Partnern bewusst machen, dass schwierige Zeiten bevorstehen könnten. Wenn Partner dieses Risiko kennen, sinkt das Risiko für plötzliche Rückzieher. Der bereits von Jacki Fenn empfohlene lange Atem und das finanzielle Polster kommen im „Pfad der Erleuchtung“ zum Einsatz, auf dem Unternehmen den Wert ihres Produkts klar definieren und kommunizieren müssen. Ist das geschafft, liegt das „Plateau der Produktivität“ in greifbarer Nähe.

Hilfestellung zur Interpretation gibt Jacke Fenn zusammen mit ihrem Kollegen Mark Radkino in dem Buch „Mastering The Hype Cycle„.

Die Gartner-Technologietrends 2015

Auch im Jubiläumsjahr beurteilt Gartner aktuelle Technologien und versucht diese, an der richtigen Stelle auf dem Hype Cycle einzuordnen. Eine der vielversprechendsten Trends ist in diesem Jahr der 3D-Druck im Unternehmen, der sich nur knapp vor Gestensteuerung, virtueller Realität und autonome Agrarfahrzeuge auf dem Weg in die Produktivität verbindet. Die Augmented Reality befindet sich trotz spannender Produkte wie Microsofts HoloLens zusammen mit kryptografischer Währung im „Tal der Enttäuschungen“. Das Internet der Dinge, selbstfahrende Autos und Sprachübersetzung in Echtzeit sind derzeit auf der Hype-Spitze. Noch ganz am Anfang sieht Gartner hingegen virtuelle persönliche Assistenten, digitale Sicherheit und natürliche Interaktion mit Computern.

Schaubild Garner HYpe Cycle 2015
Der Gartner Hype Cycle mit den Trendthemen 2015 (Bild: Gartner)