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Wenn Sie in der IT-Stadt Karlsruhe eine Konferenz, Podiumsdiskussion oder Expertenrunde besuchen, fällt Ihnen vielleicht Folgendes auf: Im Programmheft sind fast ausschließlich Männer als Referenten genannt. Selten ist eine Frau auf der Bühne. Wenn doch, ist es die Moderatorin. Da stellt sich mir die Frage: Haben wir in Karlsruhe keine Frauen, die etwas zu sagen haben? Warum sind die Bühnen hierzulande so wenig divers?

Warum sind Experten auf der Bühne meist männlich? Weniger Frauen in technischen Berufsfeldern

Ich könnte es mir einfach machen, und sagen: Das ist nun mal so. In techniklastigen Berufen sind von Natur aus weniger Frauen zu finden. Ich habe selbst an der Hochschule Technik & Wirtschaft studiert, an der der Frauenanteil den geringen Prozentsatz von 21,7 ausmacht (siehe: Campus in Zahlen). Damit könnte ich mich abfinden. Möchte ich aber nicht.

Denn wenn ich eine Konferenz besuche und auf ein reines „Male Panel“ schaue, muss ich immer daran denken, wie es mal ist, wenn ich Kinder habe. Woher soll sich meine Tochter ihre weiblichen Vorbilder holen, sich was zutrauen, wie kann sich etwas an der Situation ändern, wenn „da vorne“ oder „da oben“ immer nur Männer sitzen?!

Kein Problem-Bewusstsein im Organisationsteam

Das Phänomen der männerlastigen Podien ist wahrlich kein Phänomen in Karlsruhe. Weltweit sammelt das Blog „All Male Panel“ Bilder von ausschließlich männlich besetzten Konferenzen und Podiumsdiskussionen, um so auf eine humorvolle Art auf das Problem aufmerksam zu machen.

Ausschließlich männlich besetzte Diskussionsrunden nimmt das Blog All male Panels auf die Schippe
Quelle: http://allmalepanels.tumblr.com/

Humor als Angriff finde ich gut. Trotzdem scheint, als sei gar kein Bewusstsein bei den Veranstaltern vorhanden, dass ihr „All Male Panel“ überhaupt jemanden stören könne – sonst würden nicht noch täglich neue Beiträge auf diesem Blog hinzukommen. Liegt die Ursache vielleicht darin, weil das Organisationsteam auch vorwiegend aus Männern besteht oder es einfacher ist, die immer gleichen bekannten Namen einzuladen?

„Die Frauen sind selbst dran schuld!“

Als Veranstalter der Konferenz könnte ich mich zurücklehnen und sagen: „Frauen sind selbst dran schuld, wenn sie sich nicht beim Call for Speaker bewerben.“ Jein. Wem Diversität wichtig ist, der sollte es auch auf die Reihe kriegen, ein paar fähige Frauen zu engagieren. Ich weiß als Mitveranstalterin des #digitalk Karlsruhe selbst, dass das bei Themen, bei denen technische Expertise gefragt ist, keine einfache Aufgabe ist. Awesome doesn’t come easy. Trotzdem bemühe ich mich, in jeder unserer Veranstaltungen mindestens eine Frau auf der Bühne zu haben.

Doch nicht jede Frau möchte auch auf der Bühne im Rampenlicht stehen. Manche würden gern, trauen sich aber nicht. Meiner Meinung nach kann man also weder die Schuld allein der Veranstalter- noch allein der Frauenseite, die sich nicht ausreichend repräsentiert fühlt, zuschreiben. Beide Seiten müssen aufeinander zugehen, und daran arbeiten, dass in einer Expertenrunde mehr Diversität zu finden ist. Ein paar Frauen im Veranstalterteam helfen dabei.

Ist es überhaupt wichtig, mehr Frauen auf der Bühne zu haben?

Ich persönlich bin der Meinung, dass wir glauben, was wir sehen. Wenn Frauen keine weiblichen Vorbilder auf der Bühne sehen, werden diejenigen mit wenig Bühnenerfahrung kaum den Mut fassen, eines Tages selbst mal dort zu stehen. Es wird ihnen unerreichbar erscheinen.

Von der Facebook-Community des Vereins Digital Media Women wollte ich wissen, warum andere Frauen es für wichtig erachten, dass mehr Frauen auf der Bühne stehen. Das haben sie mir geantwortet:

Statements von Frauen, warum es mehr Frauen auf der Bühne braucht

Dass wir zu wenig Frauen auf den Bühnen haben, bemerken zum Glück nicht nur sie selbst. Auch Männer bemerken das. Und gehen sogar so weit, ihren eigenen Platz auf der Bühne abzusagen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Wolfgang Lünenbürger-Reichenbach, Managing Director bei Cohn & Wolfe, beschrieb bereits Ende 2012 (!) in seinem Blog, dass er an Podiumsdiskussionen, die nicht mindestens 40 % Frauen enthalten, nicht mehr teilnehmen wird – auch wenn er selbst als Referent geladen ist. Ein starkes Statement, das mir genau deswegen jetzt noch in Erinnerung ist.

Sascha Stoltenow, Director bei Script Communications, Mit-Veranstalter des #cosca und Macher des Content Strategy Forums 2014. Foto: Christine Buhl FOTOGRAFIE + DESIGN (Hofheim)

Sascha Stoltenow, Kollege aus meinem Netzwerk, dem es als Veranstalter sehr gut gelingt, ein diverses Publikum auf die Bühne zu bringen, habe ich die Frage gestellt, warum es ihm wichtig ist, bei seinen Veranstaltungen auch viele Frauen auf der Bühne zu haben. Er hätte doch sicher schneller ein Programm mit Männern zusammen?! Seine Antwort: „Ganz kurz könnte ich den Justin Trudeau machen und sagen: Weil es 2017 ist. Etwas ausführlicher: Die zentrale Herausforderung für die Kommunikation ist und bleibt es, auch oder gerade im digitalen Zeitalter, unterschiedliche Perspektiven zu verbinden. Ein wesentlicher Schritt dahin ist es, diese Perspektiven sichtbar zu machen. Deshalb sollten wir vielfältigen Stimmen ein Bühne geben.“

Wie können Sie dem als Veranstalter Rechnung tragen? Wie können Sie als Frau und als Mann, ob als Zuhörer oder Referent dazu beitragen, dass mehr Diversität auf der Bühne abgebildet wird?

Initiativen, die Frauen sichtbarer machen

Als Veranstalter können Sie sich in Zukunft keine Ausrede mehr leisten, wenn es darum geht, Frauen für Ihre Expertenrunde zu finden. Die folgenden drei Initiativen bieten alle Kontakte zu Frauen, die auf die Bühne wollen.

Digital Media Women e. V.

Die Digital Media Women sind ein Netzwerk, in dem auch einige Männer Mitglied sind. Nämlich diejenigen, die erkannt haben, was schiefläuft, wenn nur das eine Geschlecht um die Expertenmeinung gefragt wird. Gegründet wurden sie 2010 in Hamburg, nachdem Carolin Neumann, ehemaliges Vorstandsmitglied der Digital Media Women sich über das Frauen-Männer-Verhältnis bei einer Medienkonferenz wunderte. Schnell fanden sich weitere Mitstreiterinnen für das Thema, Frauen sichtbarer zu machen. Die Digital Media Women sehen im digitalen Wandel die größte Chance, ihre Vision von einer Welt der Vielfalt und gleichberechtigten Teilhabe, verwirklicht zu sehen.

Link Website: http://www.digitalmediawomen.de/

Speakerinnen.org

Unter dem Motto „Keine Ausreden mehr für Panels ohne Frauen“ listet diese Seite Hunderte von Frauen auf, die als Referentin zur Verfügung stehen. Der Eintrag für Referentinnen sowie die Suche für Veranstalter ist kostenlos.

Link Website: https://speakerinnen.org/

WOMEN SPEAKER FOUNDATION

Die WOMEN SPEAKER FOUNDATION wurde 2010 von Unternehmensberaterin Regina Mehler gegründet. Auch ihr fehlten die Frauen auf wesentlichen Wirtschafts- und Gesellschaftspodien – heute bietet sie die Vermittlung von über 400 Frauen auf ihrer Plattform an. Ihr Engagement stützt sich auf die Erkenntnis, dass gemischte Teams erfolgreicher sind und damit einen wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes darstellen.

Link Website: http://www.women-speaker-foundation.de/

Was kann jede/r Einzelne tun?

Meiner Meinung nach ist die fehlende Vernetzung von Frauen und Männern ein wesentlicher Grund, warum Podiumsdiskussionen so einseitig erscheinen. Am Sprichwort „Männer bilden Seilschaften, Frauen bilden Netzwerke“ mag durchaus etwas dran sein. Ich glaube, dass Frauen sich selbst keinen Gefallen tun, wenn sie sich nur in reinen Frauennetzwerken zusammenschließen. In den vielen einflussreichen Unternehmenspositionen sitzen derzeit nun mal noch viele Männer – wenn Frauen mit diesen nicht vernetzt sind, ist die Chance auf Mitwirkung und Mitbestimmung gering.

Frauen unter sich müssen akzeptieren, dass es durchaus Frauen gibt, die gerne auf der Bühne stehen. Diese Frauen gehören unterstützt, auch wenn sie aus der „gut funktionierenden Frauen-Mannschaft“ ausbrechen und mehr wollen als andere. Wer sie aus Angst vor Konkurrenz ausbremst, schadet damit bloß sich selbst.

Die größte Angst der Menschen ist nicht der Tod, sondern das Halten einer Rede in der Öffentlichkeit. Wer gerne auf die Bühne möchte, sich aber nicht traut, muss üben. Dazu eignen sich kleinere Bühnen, Barcamps oder Angebote wie die Toastmasters Karlsruhe, bei denen das Reden in sicherer Atmosphäre geübt werden kann.

Tipps für eine gute Präsentation auf der Bühne

Kailey Peng, Presentation Coach. Foto: Paul Gärtner, explain

Kailey Peng, Mitglied der Toastmasters und Präsentationscoach bei der Präsentationsagentur explain habe ich um drei Tipps gebeten, wie man Ungeübten die Angst vor der freien Rede nehmen kann:

  1. „Den Fokus von der eigenen Person nehmen und sich dem Thema und vor allem dem Publikum zuwenden. Denn es geht in der Präsentation nicht um mich, sondern den Nutzen für das Publikum und um die Idee, die es Wert ist, geteilt zu werden. Wenn mein Fokus darauf liegt, durch meine Präsentation Gutes zu stiften, einen Wandel zu bewirken, dann beschäftige ich mich viel weniger mit der Bewertung meiner eigenen vermeintlichen Unzulänglichkeit.
  2. Es muss nicht immer die Rampensau sein. Das gilt für Männer wie Frauen. Susan Cain, Autorin von The Power of Introverts in a World That Can’t Stop Talking zeigt in ihrem populären TED talk und ihrer ruhigen Art, dass man nicht wie Steve Balmer auf der Bühne springen muss, um zu überzeugen.
  3. So banal es klingt: Üben. Noch besser: Üben in einem sicherem Umfeld, in dem man ohne Konsequenzen scheitern darf. In Toastmaster Redeclubs, wo man spontane und vorbereitete Reden hält und konkretes Feedback bekommt, gewinnen viele Frauen das Selbstbewusstsein, um auf der Bühne zu stehen. Ich selbst habe meine Redeangst dort überwinden können.“

Männer-Podien sind in der Tech-Branche vor allem ein deutsches Phänomen

Wenn ich reflektiere, wie Konferenzen im Ausland funktionieren, dann sehe ich, dass die mangelnde Diversität ein deutsches Problem ist. Bei einer Konferenz wie der europäischen WebSummit gibt es gleichermaßen Männer wie Frauen auf der Bühne. Als „Women in Tech“ bekomme ich sogar ein vergünstigtes Ticket, mit dem ich nur ein Zehntel des Normalpreises bezahle. Es ist ein Anfang, um mehr Frauen für digitale Themen zu begeistern und Vorbilder auf den Bühnen kennenzulernen. Wenn die Vergünstigung irgendwann nicht mehr nötig ist, dann haben wir das Problem von zu wenig Frauen in der Tech-Branche wohl endgültig gelöst. Bis dahin brauchen wir Frauen Vorbilder, mit denen wir uns identifizieren können.

„It’s not about the men in the room, it’s about the women not in the room“

Ich bin der Überzeugung, dass Diversität – übrigens nicht nur im Geschlecht – zu besseren Ergebnissen führt. Mit diesem Artikel mag ich diejenige sein, die den Finger in die Wunde legt. Wer jedoch Diversität auf der Bühne als Frau oder Mann wertschätzt und von den „All-male-Panels“ gelangweilt ist, der hat in Karlsruhe Gelegenheit, etwas zu unternehmen. Ich veranstalte heute, am Donnerstag, 16.02. ein Netzwerktreffen, das zum Ziel hat, ein Quartier der Digital Media Women in Karlsruhe zu gründen. Die Digital Media Women können in Deutschland bereits auf ein starkes Netzwerk mit 7 regionalen Quartieren zurückgreifen. In der IT-Stadt Karlsruhe gibt es sie noch nicht und dafür setze ich mich ein. Wenn Sie Interesse haben, etwas zu verändern, kommen Sie vorbei. Mehr Infos zur Veranstaltung hier: https://www.facebook.com/events/1916663618563930/