Lesedauer ca. 5 Minuten

Am Freitag erreichte unsere Redaktion eine Kurzmeldung vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration: Baden-Württemberg investiert 12,3 Millionen Euro in 30 Breitbandprojekte. Die DSL- und Breitband-Verfügbarkeit soll vor allem im ländlichen Raum endlich verbessert werden. Dieser Schritt kommt zehn Jahre zu spät. Aber wie heißt es so schön: Besser spät als nie. Ein Kommentar.

Als ich vor zehn Jahren (!!) mein Studium in Heidelberg begonnen habe, war die Verfügbarkeit von „schnellem Internet“ für mich ein entscheidendes Kriterium bei der Wohnungssuche. Schnelles Internet bedeutete damals DSL 16000, was in etwa einer Download-Geschwindigkeit von 16 Mbit/s entspricht. Wenige Jahre später stieg ich dann auf einen KabelBW-Anschluss mit 50 Mbit/s um. Derzeit wohne und arbeite ich in Ötisheim, einer kleinen Gemeinde im Enzkreis, gleich neben Mühlacker. KabelBW heißt inzwischen Unitymedia und meine Leitung bringt es auf 200 Mbit/s.

200 Mbit/s sind im Jahr 2016 durchaus zeitgemäß. Während ich Musik via Spotify höre, kann meine Frau ihre Lieblingsserien auf Netflix in 4K streamen. Da ich von zu Hause aus arbeite, muss ich zudem regelmäßig größere Dateien herunter- und hochladen. Mit einer 200-Mbit-Leitung ist das alles kein Problem – selbst wenn wir bereits Kinder hätten, die das Internet parallel nutzen.

Freilich hat nicht jeder ein Home Office und es soll – Gerüchten zufolge – auch Menschen geben, die noch lineares Fernsehen schauen. Aber egal, wie man es dreht und wendet: Die zu übertragenden Datenvolumen werden immer größer, so dass (derzeit) eine Leitung mit 50 Mbit/s als absolute Untergrenze zu betrachten ist. Das sieht auch die Bundesregierung so – und dennoch sollen erst 2018 alle deutschen Haushalte einen solchen Anschluss haben. Leider ist selbst das reines Wunschdenken.

Übrigens: Das 50-Mbit-Ziel greift viel zu kurz, denn wenn 2020 (optimistisch betrachtet) alle deutschen Haushalte über diesen Standard verfügen, liegt selbiger längst bei 200 bis 400 Mbit/s.

Ein Bauplatz mit Breitband-Zugang im Enzkreis sollte es sein

Soviel zur Theorie. In der Praxis ist alles noch viel schlimmer. Inzwischen sind wir seit gut einem Jahr auf der Suche nach einem Bauplatz in Mühlacker und Umgebung. Das erste Problem: Es gibt so gut wie keine Grundstücke. Das zweite Problem: Die wenigen, die es gibt, haben im Regelfall nur steinzeitliche DSL 16000-Anschlüsse – wenn überhaupt. Werfen wir doch mal einen Blick auf die Karte der Telekom:

karte-16

Sieht doch ganz gut aus, oder? Nope! Auf der Karte sind alle Gebiete zu sehen, in denen DSL 16.000 verfügbar ist, also der Anschluss, den ich vor zehn Jahren zu Unizeiten hatte. Das Problem an der Sache: Gerade in den kleineren Gemeinden findet man oftmals die Formulierung „bis zu 16 Mbit/s“. Es gibt Gegenden, in denen am Ende gerade einmal 6 Mbit/s ankommen. Setzt man den Haken auf die von der Bundesregierung angepeilten 50 Mbit/s, sieht die Karte mit einem Schlag ganz anders aus:

karte-50

Sämtliche Gemeinden und Stadtteile von Mühlacker sind plötzlich ohne Breitband-Abdeckung – und wir reden hier nicht von einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, sondern von einer Kreisstadt zwischen Stuttgart und Karlsruhe mit knapp 26.000 Einwohnern.

Aber naja, 100 Mbit/s wären 2016 ja ohnehin wesentlich zeitgemäßer. Schauen wir mal, was die Netzabdeckungskarte der Telekom dazu sagt:

karte-100

Man weiß nicht so recht, ob man lachen oder weinen soll. Ich erspare euch an dieser Stelle die „VDSL-Ausbau geplant“-Karte, da diese ähnlich trist aussieht.

Die Gemeinden müssen die Breitbandausbau selbst in die Hand nehmen

Glücklicherweise haben wir in Mühlacker recht fähige Kommunalpolitiker, die schon früh begriffen haben, wie wichtig das Thema Breitbandausbau ist. So stellen beispielsweise die beiden regionalen Anbieter NetCom BW und NeckarCom in einigen Stadtteilen ein leistungsstarkes Glasfasernetz zur Verfügung. Mit etwas Glück kann man sich einen solchen Anschluss sichern und so immerhin auf bis zu 100 Mbit/s kommen. Eine weitere Alternative ist ein Kabelanschluss von Unitymedia, über den bis zu 400 Mbit/s möglich sind.

Wichtig sind in diesem Zusammenhang die drei Worte „mit etwas Glück“, denn an vier Grundstücken, die wir besichtigt haben, gab es weder Glasfaser- noch Kabelanschlüsse – dafür aber einen Telekom-Anschluss „mit bis zu 16 Mbit/s“. Je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man digital abgehängt wird.

Vor welchen Problemen derweil die Gemeinden stehen, verdeutlichte mir ein Telefonat mit einem Grundstücksverkäufer, der zugleich Mitglied im Gemeinderat ist. Auf meine Frage nach der Verfügbarkeit von schnellem Internet, antwortete er mir, dass das ganz darauf ankomme, wann ich bauen wolle. Wenn das erst in drei Jahren passieren soll, hätte ich gute Chancen, dass man bis dahin eine Lösung gefunden habe.

Eine Lösung? Für welches Problem? Ja, man hätte jahrelang über die Anbindung und den Ausbau des Telekom-Netzes diskutiert. Stichwort Vectoring. Aber irgendwie wäre man kürzlich zu dem Schluss gekommen, dass es doch sinnvoller wäre, gleich auf Glasfaser zu setzen. Dafür fehle aber momentan das Geld und es werde wohl noch einige Zeit brauchen, bis etwas passiere.

Die Gemeinden selbst haben nicht genug Geld, um auf Glasfaser umzustellen. Die Telekom hat kein Interesse daran, weil es für sie wirtschaftlicher ist, dass (recht sinnfreie) Vectoring voranzutreiben. Und die Bürger? Die unterschätzen einerseits die Bedeutung vom Breitbandausbau für die Zukunft des Landes und sind andererseits auch nicht bereit dazu, sich an den Kosten zu beteiligen.

All das macht deutlich, wie wichtig die finanzielle Unterstützung von Breitbandprojekten durch die Landesregierung ist. Bleibt zu hoffen, dass der Ausbau auch schnell vorangetrieben wird.