Lesedauer ca. 4 Minuten

Die Digitalisierung verändert in immer mehr Branchen die Spielregeln. Auch in den Natur- und Lebenswissenschaften sind Schlagworte wie „Big Data“ und das „Internet of Things (IoT)“ inzwischen wichtige Faktoren. Heidelberg bietet ein spannendes Umfeld, um Hochtechnologie und Informationstechnologie zu vereinen. Startups aus diesen Bereichen bietet die Stadt eine ausgezeichnete Infrastruktur.

Wissenschaft made in Heidelberg

Zwölf Nobelpreisträger hat Heidelberg hervorgebracht. Allesamt zwölf herausragende Wissenschaftler, die wesentliche Teile ihrer preiswürdigen Tätigkeit an der Universität oder einer anderen Forschungseinrichtung in Heidelberg durchgeführt haben. Zählt man weniger bescheiden, und berücksichtigt auch jene Nobelpreisträger, die zumindest einen Teil ihrer Schaffenszeit in Heidelberg verbracht haben, sind es sogar ganze 56. Kein Wunder also, dass Heidelberg – außer für Schloss und Altstadt – vor allem als Wissenschaftsstadt bekannt ist.
Dabei kann man leicht übersehen, dass sich Heidelberg zu einem wichtigen IT-Standort entwickelt hat. Denn auch die grundlagenorientierten Wissenschaftszweige, die in Heidelberg eine lange Tradition haben – Biologie, Chemie, Physik und natürlich Medizin –, sind von der Digitalisierung längst durchdrungen. Wichtige medizinische Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte gehen einher mit Herausforderungen der Datenverarbeitung: Bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) erzeugen beispielsweise immense Datenmengen, die durch fortschrittliche Algorithmik schnell und zuverlässig interpretiert werden muss.

War die Sequenzierung eines menschlichen Genoms von 1990 bis 2003 noch ein internationales Milliardenprojekt, so kann inzwischen jeder sein eigenes Genom für wenige hunderte Euro innerhalb kürzester Zeit „digitalisieren“ lassen. Die eigentliche Herausforderung liegt wiederum in einer sinnvollen Auswertung großer Datenmengen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens zukünftig bis zu einem Petabyte (eine Million Gigabyte) an gesundheitsbezogenen Daten generieren könnte.

Branchenübergreifende Innovation durch Schnittstellenschaffung

Die Unterschiede zwischen einem Life Science Startup und einem IT-Startup werden dadurch an mehr und mehr Stellen fließend. Der Arbeit im Labor folgt häufig eine nicht weniger wichtige Phase der Software-Entwicklung. Statistik, Datenmanagement und skalierbare Systeme sind für MedTech- und BioTech-Startups genauso wettbewerbsentscheidend wie für Gründungsprojekte in anderen Branchen. IT-Spezialisten sind in diesem Bereich für den Erfolg und das Wachstum vieler junger Unternehmen unverzichtbar.

An anderer Stelle sind die Naturwissenschaften Wegbereiter für den Fortschritt in der Informationstechnologie. So spielt das interdisziplinäre Feld der Materialwissenschaften (Chemie, Physik, Mathematik) eine wichtige Rolle für die Vision des Internets der Dinge (IoT). Um den wachsenden Bedarf an Sensoren nachzukommen, müssen diese günstig und nachhaltig produziert werden.

Gedruckte Elektronik ermöglicht die ressourcenschonende Herstellung von Sensoren - für das Internet of Things wie für medizinsche Anwendungen. (Bild: © InnovationLab GmbH)
Gedruckte Elektronik ermöglicht die ressourcenschonende Herstellung von Sensoren – für das Internet of Things wie für medizinsche Anwendungen. (Bild: © InnovationLab GmbH)

Organisches Drucken ist eine vielversprechende Lösung. Dabei geht es nicht etwa um das Drucken von Organen, sondern um das Drucken mit organischer Chemie. Elektronische Komponenten, die bisher meist aus siliziumhaltigen Materialien bestehen, können so durch kohlenstoffbasierte Bauteile ersetzt werden. Diese können mit Druckmaschinen schnell und kostengünstig auf Kunststofffolien aufgebracht werden. Eine Lebensmittelverpackung könnte dadurch in die Lage versetzt werden, selbstständig die Einhaltung der Kühlkette zu überwachen. Medikamentenschachteln könnten in Interaktion untereinander Patienten auf mögliche Wechselwirkungen hinweisen.

Eine Infrastruktur, die zum Forschen anregt

In Heidelberg ist eine erfolgreiche Wertschöpfungskette für Innovationen an den Schnittstellen von Natur- und Lebenswissenschaften entstanden. Am Anfang stehen die Universität Heidelberg und andere Forschungseinrichtungen, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) oder das European Molecular Biology Lab (EMBL). Sie schaffen die wissenschaftliche Basis für zukünftige Anwendungen und bilden außerdem qualifiziertes Personal für forschungsintensive Unternehmen aus.

Um aus den Ergebnissen der Grundlagenforschung marktfähige Produkte zu entwickeln, braucht es darüber hinaus auch eine geeignete Infrastruktur. Einrichtungen wie der Technologiepark Heidelberg oder das Innovation Lab bieten notwendige Laborflächen und Reinräume, die für Entwicklung und Produktion benötigt werden, oder stehen beratend zur Seite.

Life Science meets IT, Heidelberg
Beim Life Science meets IT Hackathon in Heidelberg arbeiten intersdiziplinäre Teams an technischen Lösungen für medizinsche Herausforderungen. (Foto: Life Science meets IT)

Eine wichtige Rolle für den Erfolg von Startups spielen schließlich die vielen in Heidelberg und Umgebung ansässigen Unternehmen. In direkter Umgebung finden sich IT-Unternehmen wie SAP, SAS oder Software AG ebenso wie Pharma- und Chemieriesen wie Roche, Abbvie oder BASF. Hinzu kommt eine große Anzahl kleinerer Biotech- und Softwarefirmen.
Einen Einblick in die Konvergenz von Wissenschaft und IT bot der im Frühjahr 2016 erstmals durchgeführte {Life Science} meets IT Hackathon. 80 Teilnehmer, – Studenten und Young Professionals aus Medizin, Biologie, IT, Wirtschaft und Design, – arbeiteten 54 Stunden lang in interdisziplinären Teams an technischen Lösungen für drängende medizinische Herausforderungen. Mit beachtlichen Ergebnissen. Eine Neuauflage der erfolgreichen Veranstaltung ist für Frühjahr 2017 in Planung.