Lesedauer ca. 4 Minuten

Bruchsichere Brücken, autonome Autos, reaktionsschnelle Roboter: Mit den Kunststoffbauteilen des württembergischen Spielzeugherstellers fischertechnik können Kinder und Jugendliche selbst komplexe Bauwerke und Maschinen spielerisch erschaffen. In Karlsruhe werden derartige Konstruktionseinheiten sogar in speziellen fischertechnik-AGs an zahlreichen Schulen angeboten.

Möglich gemacht wurden diese Bildungsangebote durch die Karlsruher Technik-Initiative (Karolab). Seit 2014 hat die vom IT-Netzwerk Cyberforum initiierte und von mehreren Sponsoren getragene Initiative 29 Lehranstalten im Stadt- und Landkreis Karlsruhe mit fischertechnik-Baukästen ausgestattet und dadurch den Grundstein für die AGs gelegt. „Bis 2020 soll es in über 90 Prozent der Schulen eine entsprechende AG geben“, gibt Karolab-Ideengeber und Cyberforum-Vorstandsmitglied Dirk Fox die Marschrichtung für die kommenden Jahre vor. Mit den Konstruktionseinheiten soll vor allem das Interesse der Kinder und Jugendlichen an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) geweckt werden. In den Grundschulen steht der Bau von Brücken oder Bauwerken auf dem Programm, in den weiterführenden Schulen können sich Gymnasiasten, Gemeinschaftsschüler und Realschüler am Bau von voll funktionsfähigen Fahrzeugen und Robotern versuchen. Netzwerkveranstaltungen für alle AG-Teilnehmer sind der fischertechnik-Tag für Grundschüler und der Karlsruher Robotik-Cup für die Tüftler aus den weiterführenden Schulen.

Frühestmögliche Förderung in den MINT-Fächern

„Durch dieses Bildungsangebot soll die Technikbegeisterung so früh wie möglich gefördert werden“, nennt Fox den Sinn und Zweck der Technik-Initiative. Sportvereine und Musikschulen würden schließlich ebenfalls schon durch altersgerechte Angebote in Kindergärten und Grundschulen um den Nachwuchs buhlen. Freiwillige Förderprogramme für Mathematik und Mechanik fristen nach Fox´ Einschätzung dagegen an vielen Bildungseinrichtungen bislang eher ein Schattendasein und Informatik nach Lehrplan hat für den IT-Unternehmer „den Charme einer Bauverordnung“.

Durch das Spiel mit den fischertechnik-Teilen soll bei den Kindern und Jugendlichen zunächst einmal die Lust am Konstruieren geweckt werden. „Die spielerische Auseinandersetzung mit konstruktiven Herausforderungen war bei vielen Ingenieuren nachweislich die Hauptmotivation zur beruflichen Auseinandersetzung mit der Technik“, sagt Fox. Er selbst habe als Kind ebenfalls leidenschaftlich und ausdauernd mit fischertechnik gespielt und dabei seinen Verstand für das Lösen von komplexen mathematischen Fragestellungen geschärft. Mit dem Einsatz von Tablets oder Smartphones können nach Fox´ Ansicht solche Effekte dagegen nicht erzielt werden. „Mobile Endgeräte dienen vor allem der Mediennutzung“, sagt Fox, und durch den bloßen Konsum von digitalen Anwendungen werde das kreative Potenzial der jungen Nutzer nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft.

Eine von bundesweit sieben „MINT+“Regionen

Auch überregional stößt die Technik-Initiative auf positive Resonanz. Im März 2017 wurde die Karlsruher Technik-Initiative vom Stifterverband und der Körber-Stiftung aus über 40 Bewerbungen als eine von sieben „MINT+“-Regionen in ganz Deutschland gekürt und mit dem Preisgeld in Höhe von 30 000 Euro konnte die Stelle eines MINT-Koordinators beim Cyberforum finanziert werden. Für Fox war diese Auszeichnung allerdings lediglich ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem ehrgeizigen Ziel. „Wir wollen der führende Bildungsstandort für die MINT-Fächer in der gesamten Bundesrepublik werden“, setzt sich der Initiator der Initiative ehrgeizige Ziele. Bereits heute sei die Technologieregion Karlsruhe schließlich einer der führenden deutschen IT-Standorte und die Suche nach qualifizierten Fachkräften werde von Jahr zu Jahr schwieriger. Durch eine gezielte MINT-Förderung können nach Fox´ Ansicht künftig mehr junge Menschen für eine Ausbildung in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern begeistert und die Abbruchsquoten in den MINT-Studiengängen reduziert werden.

Bei Schulen stößt das Förderprogramm auf positive Resonanz

Bei den beteiligen Schulen stößt das große Engagement der Karlsruher Technik- Initiative auf durchweg positive Resonanz. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen 2017 wurden dank einer Spende in Höhe von 10 000 Euro von der Wirtschaftsstiftung Südwest die Drais-Gemeinschaftsschule, die Friedrich-Ebert-Schule und die Rennbuckel-Realschule offiziell in den Reigen der MINT-Schulen aufgenommen. „Bei der Arbeit mit den fischertechnik-Baukästen gibt es sehr schnell greifbare Erfolge“, sagt Schulleiter Ralph Gerner von der Rennbuckel-Realschule. Dadurch gingen die Schüler extrem motiviert zur Sache und würden sich schon nach kurzer Zeit an komplexere Konstruktionen wagen. „Durch den Bau von Brücken wird bei den Kindern die Lust am logischen Denken und ihr Entdeckerdrang geweckt“, betont Rektor Markus Zilly von der Friedrich-Ebert-Schule. Noch wichtiger als die technische Ausstattung der AGs ist nach Ansicht der Schuleiter allerdings das pädagogische Personal. „Man muss für eine solche Aufgabe brennen“, sagt AG-Leiterin Marion Stuhm von der Drais-Gemeinschaftsschule. Doch auf der anderen Seite könne man die eigene Begeisterung sehr leicht weitergeben und die Kinder zum selbstständigen Arbeiten ermutigen.

MINT-Förderung steht auf mehreren Säulen

Die MINT-Förderung wird in Karlsruhe auch auf anderen Ebenen vorangetrieben. So schmücken sich mehrere Gymnasien in Karlsruhe mit dem offiziellen Titel einer „Mint-freundlichen Schule“ und bei der von SAP-Gründer Hans-Werner Hector ins Leben gerufenen Stiftung dürfen hochbegabte Schüler unter pädagogischer Anleitung mehrere Schuljahre lang ihren Forscherdrang ausleben und in speziellen Förderkursen wissenschaftliche Projekte ausarbeiten. Einigen dieser Initiativen fehlt nach Fox` Ansicht wegen der kurzen Projektdauer allerdings die Nachhaltigkeit, andere wie das Hector-Seminar richten sich lediglich an die überschaubare Gruppe von besonders begabten und extrem motivierten Kindern. „Bei der Technik-Initiative sollen alle Kinder eine Chance auf zielgerichtete und langfristige Förderung haben“, stellt Fox klar. Der Hauptaugenmerk liege dabei ganz klar auf den Fächern Informatik und Technik sowie auf der Förderung von weiblichen Nachwuchstüftlern. „Mädchen muss man schon vor der Pubertät für Technik begeistern“, verweist Fox auf die Teilnehmerzahlen. In den Grundschulen liegt der Mädchen-Anteil in den fischertechnik-AGs bei rund 50 Prozent, in den weiterführenden Schulen dagegen teilweise unter 10 Prozent.