Predictive Policing-Software soll der Polizei dabei helfen, Straftaten schneller aufzuklären oder sogar zu verhindern. Auf den ersten Blick klingt das vielversprechend, doch in der Praxis ist diese Art der Kriminalitätsbekämpfung heiß umstritten.
Wenn das Stichwort „Predictive Policing“ fällt, denkt jeder automatisch an den Spielfilm „Minority Report“ aus dem Jahr 2002. In diesem Science-Fiction-Thriller nutzt die Washingtoner Polizei die sogenannte Präkognition, um Morde zu verhindern. Drei „Precogs“, die über hellseherische Fähigkeiten verfügen, sagen Morde in der Zukunft voraus – inklusive der Namen von Tätern und Opfern. Durch diese als „Precrime“ bekannte Methode gelingt es schließlich, dass in Washington sechs Jahre lang keine Morde passieren. Irgendwann stellt sich das System jedoch als fehlerhaft heraus und die Hollywood-Action nimmt ihren Lauf.
Was um die Jahrtausendwende noch futuristisch klang, ist heute bereits Realität. Zumindest teilweise. Natürlich basiert das Predictive Policing außerhalb der Hollywood-Studios nicht auf irgendwelchen Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten, sondern schlicht und ergreifend auf leistungsfähigen Computern, die riesige Datenmengen auswerten. Es werden auch keine Morde samt Opfern und Tätern präzise vorausgesagt, sondern meist nur Wohnungseinbrüche, die eventuell zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden könnten. Die Betonung liegt hier auf dem Konjunktiv.
Kann ein Computer Verbrechen vorhersagen?
Predictive Policing: In den USA geht man einen Schritt weiter
Während man sich in Deutschland gewohnt zurückhaltend gibt und versucht, möglichst sparsam und verantwortungsvoll mit den verfügbaren Daten umzugehen, sieht die Sache in den USA schon etwas anders aus.
Das System „Predpol“ sagt in Kalifornien basierend auf komplexen Machine Learning-Algorithmen neben Wohnungseinbrüchen auch Waffengewalttaten, Körperverletzungen, Drogendelikte und Fahrraddiebstähle voraus. Die Software „Beware“ berechnet derweil, ob die Polizisten am Einsatzort mit einem Täter mit Vorstrafen oder einer Schusswaffe rechnen müssen. Das wohl kontroverseste System findet man jedoch in Chicago. Hier nimmt die eingesetzte Software gezielt einzelne Personen ins Visier und berechnet anhand von Vorstrafen, Gangmitgliedschaften und ihrem Alter die Wahrscheinlichkeit, dass sie Täter oder Opfer einer Schießerei werden könnten. Daraus generiert der Computer die „Strategic Subject List“, die die Polizei zur Prävention nutzt. Eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten wäre für deutsche Datenschützer ein Supergau.
Bei allen Unterschieden, haben indes alle derzeitigen Predictive Policing-Lösungen eine Gemeinsamkeit: ihre Wirksamkeit ist kaum messbar. So sank beispielsweise in Chicago die Mordrate seit der Einführung der Software nicht. In Bayern ging die Zahl der Einbrüche zwar etwas zurück, allerdings kann dies ebenso an den Präventionsmaßnahmen von Polizei und Bürgern sowie einem veränderten Verhaltensmuster der Täter liegen. Selbst in den USA zeigt man sich inzwischen kritisch. So sagte die Polizeisprecherin von Palo Alto jüngst der LA Times mit Blick auf Machine Learning-basiertes Predictive Policing: „Es hat uns keinen Mehrwert gebracht und uns nicht dabei geholfen, Verbrechen aufzuklären.“