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Mit dem CODE_n new.New Festival initiiert die GFT Technologies SE vom 20. bis 22. September ein Innovationsfestival im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM). Ein zentraler Teil der Veranstaltung ist der globale CODE_n CONTEST. Wir stellen die Finalisten aus Baden-Württemberg vor. Heute: Kinemic.

techtag: Euer Business-Modell in 140 Zeichen?

Wir entwickeln Software zur Gestensteuerung für digitale Geräte & integrieren Gesteninteraktion in etablierte & neue industrielle Prozesse.

„Wir machen Augmented Reality endlich nutzbar“ ist einer eurer Claims. Welche Rolle spielt dabei die Gestensteuerung?

Erst wenn man Datenbrillen bedienen kann, ohne weitere Geräte in den Händen halten zu müssen, wird deren Potenzial ausgeschöpft. Gestensteuerung bietet – neben der Spracheingabe – eine Möglichkeit, Augmented Reality-Brillen freihändig zu steuern. Im Gegensatz zu etablierten Verfahren zur Erfassung von Gesten – wie Kameras und Tiefenkameras – ist unser Sensorarmband unabhängig von Umweltbedingungen (Lichtverhältnisse, etc.) und dazu auch noch energiesparend. Es funktioniert also auch draußen und über längere Zeiträume. Das sind alles Eigenschaften, die kamerabasierte Systeme typischerweise nicht haben. Die Spracheingabe sehen wir nicht als Konkurrenz-, sondern als Komplementärtechnologie: Gestensteuerung funktioniert häufig dann gut, wenn die Spracheingabe an ihre Grenzen stößt – sei es aufgrund von Umgebungsgeräuschen oder weil man andere Menschen nicht durch Sprachkommandos stören will.

Zudem lassen sich räumliche Interaktionen, wie zum Beispiel Scrollen und Zoomen besser abbilden. Zusätzlich bieten wir auch die Möglichkeit, kurzen Text durch Air-Writing (Schreiben in der Luft) einzugeben, dies ist eine weltweit einmalige Technologie, die nur wir anbieten.

Welche Anwendungsszenarien sind in der Praxis denkbar?

Einerseits bietet alleine der Bereich Augmented Reality und Datenbrillen eine Fülle verschiedener Anwendungen. Hier können beispielsweise Techniker/innen durch die Darstellung von auszuführenden Einzelschritten durch die Reparatur, Wartung, Umrüstung oder Bedienung einer komplexen Maschine geleitet werden. Aber auch in der Logistik oder Qualitätssicherung ergeben sich Einsatzbereiche.

Aber auch ohne die Kombination mit einer Datenbrille ergeben sich Einsatzbereiche. So können Terminals aus der Ferne bedient werden und man spart sich beispielsweise den Gang von einem zu prüfenden Werkstück zum Terminal. Aber auch in besonders reinen oder schmutzigen Umgebungen kann berührungslose Interaktion Vorteile bringen. Im Reinraum stellen berührungssensitive Schnittstellen ein Hygieneproblem dar, im Stahlwerk oder auf der Ölplattform versagen Geräte aufgrund der Umweltbedingungen schnell – und wegen der schweren Schutzhandschuhe lassen sich klassische Eingabemöglichkeiten erst gar nicht bedienen.

Datenbrille Kinemic
Augmented Reality-Brille mit Gestensteuerung im Einsatz. (Bild: Kinemic)

AR und VR sind gerade in aller Munde. Wie erklärt ihr euch diesen „Hype“? Oder ist es vielleicht gar kein Hype und in ein paar Jahren gehören AR und VR zu unserem Alltag wie heute Smartphones und Fernseher?

AR und VR werden häufig parallel genannt, dabei handelt es sich sowohl technisch aber vor allem auch in der Anwendung um sehr unterschiedliche Technologien. Virtuelle Realität bedeutet immer ein Eintauchen in eine andere – die Realität ersetzende – Simulation. Dies birgt natürlich insbesondere im Unterhaltungsbereich enormes Potential und tritt damit eher in Konkurrenz zu klassischen Unterhaltungsmedien wie Fernseher oder Spielekonsolen.

Augmented Reality erweitert die Realität dagegen um Informationen, welche ins Sichtfeld des Nutzers eingeblendet werden, aber die Realität nicht ersetzen. Hier sehen wir ein großes Potential im professionellen Einsatz, etwa wenn ein Nutzer oder eine Nutzerin primär eine andere, beispielsweise manuelle Tätigkeit ausführt und nur ab und zu für kurze Zeit mit dem Rechner interagieren muss. Derzeit muss dazu immer kurz das Smartphone oder das Tablet aus der Tasche oder Halterung geholt werden. Daher wird AR die Benutzung von Smartphones in einigen Bereichen sicher verdrängen. Gerade im Consumer-Bereich spielen aber auch das Aussehen und berechtigte Datenschutz-Bedenken eine Rolle, so dass der Durchbruch der Technologie durchaus noch nicht direkt bevorsteht.

Die derzeitige Popularität hängt in erster Linie von der Reife der Technik ab. Beide Technologien existieren von der Idee her ja schon seit Jahrzehnten, aber erst jetzt erlaubt die Technik eine Bauform, Qualität der Darstellung und Akkulaufzeit, die tatsächlich praxistauglich ist. Tatsächlich existieren die größten Probleme noch bei der Steuerung der AR-Datenbrillen, aber gerade hier setzen wir mit unserer Lösung an.

Wie ist bislang das Feedback aus Industrie und Wirtschaft zu eurer Kinemic-Lösung? Was war bislang euer größter Erfolg?

Wir sind ja noch eine sehr junge Firma, uns gibt es als GmbH seit März 2016 und wir sind mit unserer Lösung erstmalig zur CeBIT diesen Jahres an die Öffentlichkeit gegangen. Dort war die Resonanz riesig und sehr positiv. Gerade mit Datenbrillen haben bereits viele Firmen Pilotprojekte durchgeführt und das Potential erkannt, sind aber praktisch über die begrenzten Eingabemöglichkeiten gestolpert, entsprechend war das Interesse an unserer Gestensteuerung sehr groß. Besonders gefreut hat uns, dass uns die Bundeskanzlerin auf Ihrem CeBIT-Rundgang besuchte und sich die Gestensteuerung erklären ließ.

Aber auch, dass sich Schwan-STABILO, einer der führenden Schreibgerätehersteller Europas, bereits sehr früh für Teile unsere Technologie interessiert hat und wir mit ihnen bei der Entwicklung ihres angekündigten Digitalstiftes kooperieren, ist für uns ein großer Erfolg.

Wie steht ihr zum Standort Baden-Württemberg?

Baden-Württemberg und insbesondere die Technologieregion Karlsruhe ist für uns ein optimaler Standort. Da wir uns auf industrielle Kunden konzentrieren kommt uns die hohe Dichte an Firmen vom Großkonzern bis zum Mittelständler hier in Baden-Württemberg natürlich zugute. Gerade als junges Unternehmen ist die örtliche Nähe zu den Kunden wichtig, da man mit seinen Ressourcen gut haushalten muss. In Karlsruhe profitieren wir von einer sehr aktiven Gründerszene und natürlich dem KIT, welches uns einerseits unterstützt und uns anderseits ermöglicht hervorragende Mitarbeiter zu rekrutieren.

Sucht ihr aktuell Verstärkung?

Wir suchen insbesondere motivierte Studierende als Unterstützung für unser wachsendes Team. Dabei kann es sich um einen Nebenjob handeln, wir betreuen aber auch Master- und Bachelorarbeiten, um etwas weiter vorausliegende Innovationen und Technologien zu entwickeln.

Was ist das größte Problem, das Ihr in den nächsten 12 Monaten lösen müsst?

Wir werden im nächsten Jahr beweisen, dass unsere Lösung auch im harten industriellen Einsatz funktioniert und praxistauglich ist und für Kunden und Nutzer einen echten Vorteil bringt.

Steckbrief

Name: Kinemic GmbH
Geschäftsfeld: Gestensteuerung, Industrie 4.0
Standort: Karlsruhe
Mitarbeiter: 9
Gründer: Christoph Amma, Tomt Lenz, Marcus Georgi
Funding-Status: Seed, finanziert durch Exist Forschungstransfer