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E-health oder doch schon Magie? Die Anzahl an Fitnessapps und Gesundheitstrackern zeigt, dass die Digitalisierung auch das Gesundheitswesen erreicht hat. Selbst Ärzte greifen mit Online-Coachings und Online-Sprechstunden immer häufiger auf digitale Werkzeuge zurück. Wird dadurch alles einfacher? Aber wie zuverlässig sind die digitalen Helferlein überhaupt und wo schreckt der Datenschutzbeauftragte auf?

Vor kurzem fand der bereits 5. digiTALK in der Karlshochschule Karlsruhe statt. Als Referenten waren Experten der Wissenschaft, dem Datenschutz, sowie Ärzte und Krankenkassenvertreter zu Gast, um sich mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern auszutauschen.

digiTALK Abstimmung
Wie stehen die Gäste dem Thema digitale Gesundheit gegenüber? Eine Abstimmung gab es am Anfang und am Ende des Abends. Foto: ONUK.

Digitale Patientenakte – ein sensibleres Thema als vielleicht vermutet

Wir werden älter! Aktuell sind es ganze 2,5 bis 3 Monate pro Geburtsjahr, stellte Prof. Dr. Wilhelm Stork, Forscher im Bereich E-Health und Ambient Assisted Living, beim digiTALK fest. Für die Sozialversicherung ergeben sich daraus allerdings Probleme, da Kosten mit der Lebenserwartung steigen. Ebenfalls signifikant: Wir leben länger, aber vergleichsweise kränker. In Deutschland werden nach dem 65. Lebensjahr lediglich 6,5 Jahre gesund verbracht, während es für die Schweden 14 Jahre sind. Zu den teuersten und häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Lungenerkrankungen. Alles Krankheiten, die meistens mit einem ungesunden Lebensstil und mangelnder Vorsorge in Zusammenhang stehen. Die Mission müsste also auf den ersten Blick klar sein: Mehr Achtsamkeit und Vorsorge, statt einer Reparaturmedizin.

Prof. Dr. Storck forscht seit vielen Jahren im Bereich der Präventionstechnik und entwickelte Systeme zur Erfassung des Gesundheitsstatus. Zu seinen frühen Entwicklungen gehörten beispielsweise kabellose Sensoren, die Daten in eine elektronische Patientenakte übertragen können. Diese medizinischen Informationen könnten so für die Forschung offengelegt werden. Die beste Therapiemöglichkeit für Krankheiten und Heilungschancen könnten so flächendeckend ermittelt werden. Digitale Patientenkarten, die Behandlungsdaten des Patienten enthalten, sind beispielsweise in den skandinavischen Ländern längst gang und gäbe. In Deutschland werden hingegen nur die Stammdaten eingepflegt.

Damit gehört Deutschland, die Digitalisierung des Gesundheitswesens betreffend, zu einem der rückständigsten Länder, da Digitalisierungsvorhaben der Medizin meist am Datenschutz scheitern. Nach diesen Zahlen dürfte klar sein: Prävention ist wichtig und man sollte hier flächendeckender arbeiten, doch sollten solche sensiblen Daten auch wirklich digitalisiert werden?

Datenschutz – das verflixte Kleingedruckte

Wem gehören meine Daten und was sagt das Gesetz – das waren Fragestellungen, denen sich Timo Schutt beim digiTALK widmete. Schutt ist Fachanwalt für IT-Recht aus Karlsruhe und auch als Blogger, Autor und Referent unterwegs. Das Grundgesetz garantiert mit dem Datenschutz jedem Bürger das Recht, über Verwendung und Preisgabe seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Informationen wie Blutdruck oder persönliches Gewicht gehören zu den personenbezogenen Daten, auf die Fitnesstracker und Wearables Zugriff haben. Auch werden diese Angaben automatisiert verarbeitet und sind von Dritten einzusehen, da eTracker meistens an Apps oder Clouddienste angebunden sind. Gesundheitsdaten gehören zusätzlich zu den sensitiven Daten und sind deshalb besonders schützenswert. Wer Gesundheitsdaten verarbeitet, muss in Hinblick auf IT-Sicherheit die höchsten Standards anbieten.

Was bedeutet das nun rechtlich? Wer als Entwickler sensitive Daten verarbeiten möchte, muss sich die Einwilligung des Nutzers holen, bevor er auf die Daten zugreift. Diese vollständigen Datenschutzhinweise  sind allerdings bei vielen Apps nicht gegeben. Damit Daten nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden können, ist ebenso auf Verschlüsselung und Anonymisierung zu achten. Letztendlich gilt also: Die Datenschutzbestimmungen sind bei Gesundheitsapps besonders aufmerksam zu studieren, damit Daten auch wirklich dort landen, wo man sie haben möchte.

SWR-Moderator Uwe Gradwohl und die Experten Dr. Dirk Meyer-Rogge, Markus Koffner, Timo Schutt, Dr. Ursula Kramer und Prof. Dr. Wilhelm Stork (v.l.n.r.) Foto: ONUK
SWR-Moderator Uwe Gradwohl und die Experten Dr. Dirk Meyer-Rogge, Markus Koffner, Timo Schutt, Dr. Ursula Kramer und Prof. Dr. Wilhelm Stork (v.l.n.r.) Foto: ONUK

Onlinekrankmeldungen und der Arzt hinterm Bildschirm

Wie digital Krankenkassen und Ärzte aufgestellt sind, darüber referierte Markus Koffner. Koffner ist stellvertretender Leiter der Techniker Krankenkasse (neuerdings „die Techniker“) in der Landesvertretung für Baden-Württemberg. Wie sehr sich Kunden der Techniker Krankenkasse Onlinekommunikation mit Ärzten wünschen, ergaben Kundenbefragungen. Demnach hat über die Hälfte der Kunden Interesse daran, Rezepte zugeschickt zu bekommen oder Krankmeldungen online zu erledigen. Auch die Bereitschaft, Werte und Daten zu einer Krankheit weiterzugeben, ist vorhanden. Daten, die Patienten gerade bei ernstzunehmenden Krankheiten zur Verfügung stellen würden, sind Blutdruck- und Pulswerte. Die gesammelten Daten könnten gebündelt an einem Ort Ärzten und Therapeuten zur Verfügung stehen. Koffner betonte an dieser Stelle den Datenschutz, der zwingend gewährleistet sein muss. Ein Mehrwert würde sich durch die verfügbaren Daten ergeben, weil so Mediziner Informationen nicht mühsam zusammensuchen müssten und schneller einen Einblick in den bisherigen Behandlungsverlauf eines Patienten hätten.

Ebenfalls strukturell sieht Koffner die Vorteile, die sich durch die Digitalisierung ergeben können: Gerade ländliche Regionen sind oftmals mit Fachärzten unterversorgt, die Bewohner dort müssen lange Wartezeiten oder lange Wege in Kauf nehmen. Eine ganze Onlinevideosprechstunde führte der Karlsruher Dermatologe Dr. med. Dirk Meyer-Rogge durch. Die Patientin konnte unmittelbar den Status ihrer Haut überprüfen lassen. Allerdings ersetzt hier Online nicht Offline, denn diese Form von Sprechstunde ist laut Dr. Meyer-Rogge nur bei Nachkontrollen möglich.

Die Zukunft der Wearables liegt im Gesundheitsmarkt

Dass Ernährung, der individuelle Lebensstil und unser Umfeld einen immensen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden haben, ist nicht neu. Der Trend zur Selbstvermessung steigt stetig an. Rasant entwickeln sich auch die technischen Möglichkeiten zur Selbstvermessung. Armbänder, die den UV-Gehalt des Lichts mittels Sensoren messen oder stimmungsbeeinflussende Pads, die mit Niedrigenergie-Impulsen arbeiten, sind im Handel verfügbar. Auch Asthmatikern kann inzwischen mit Sensorenpflastern geholfen werden. Diese messen Atmung, Herzfrequenz und Temperatur.

Bei Gesundheitsapps tut sich nicht weniger: Aktuell wird eine schier unübersichtliche Menge von 85.353 Apps aus dem Bereich Gesundheit und Fitness sowie 39.166 medizinische Apps im Google Play Store angeboten. Eine Info-und Bewertungsplattform von Gesundheitsapps und Wearables wurde von Dr. Ursula Kramer und ihrem Team mit HealthOn geschaffen. Neben unabhängigen Testberichten, die nach Anwendungsgebiet sortiert sind, werden dem Verbraucher auch Informationen zur Nutzung solcher Apps gegeben. Wer sich eine App herunterladen möchte, sollte sich darüber informieren, was die App kann, wobei sie helfen soll, worauf sie zugreift und ob Finanzierungangaben gegeben sind.

E-health: Mein persönliches Fazit

Ist die Digitalisierung nun im Gesundheitswesen angekommen? Der Abend auf dem digiTALK hat mit gezeigt, was für ein sensibles Thema Gesundheit ist und dass personenbezogene sensitive Daten , umso schützenswerter sind. Ist dieser Schutz auch wirklich gegeben? Doch auch den Chancen und Potentialen, die in der Digitalisierung der Medizin liegen, sollte Beachtung geschenkt werden. Dass Menschen von einer Reparaturmedizin zunehmend Abstand nehmen und sich proaktiv informieren und gesund halten wollen, bewerte ich generell positiv. Der Markt für Wearables wird weiterhin wachsen und auch die Professionalität der Apps und Wearables wird steigen.

Ob man, um gesünder zu sein, unbedingt Tracker braucht, um jeden noch so detaillierten Wert über sich selbst zu haben – das ist die andere Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.